Anreisetage in den Regen.

Als ich die Strecke Bonn-Ushhorod vor Jahren mit dem PKW durchgeheizt bin, habe ich am ersten Tag bis Budapest geschafft. Die Zeiten sind vorbei, wir planen mal knapp bis Wien, in den kleinen Weinort Langenlois zu einem guten alten Bekannten, den es aus Köln dorthin verschlagen hat. Wir verbringen einen harmonischen Abend mit zwei menschlichen Zwillingsraubauken süßen, anhänglichen achtjährigen Jungs, zwei hündischen Rabauken, einer eigenwilligen Katze und unseren erwachsenen Gastgebern. Das Womo steht gemütlich auf zwei Auffahrkeilen direkt vor dem Küchenfenster, aus dem das Stromkabel hängt. Die Strecke ging eigentlich zügig durch, zwei kleinere Pausen und keine wesentlichen Staus, dennoch brauchten wir bis gegen 19 Uhr und waren dann auch rechtschaffen müde. Der herzliche Empfang war genau das, was ein müdes Reiseherz braucht. Schlaf war einigermaßen erholsam, die erste Nacht ist immer etwas unruhig, aber das wird schon.

Freitagmorgen (also heute) ging es um halb neun weiter über zähfließende Wiener Autobahnringe und via Bratislava auf eine großartig ausgebaute und fast baustellenfreie Autobahn D1 rund 200 Kilometer durch die Slowakei bis Žilina. Aber dann. Erstens: es regnet die ganze Zeit. Und zweitens: Die 75 Kilometer Landstraße bis zum nächsten Autobahnabschnitt haben es in sich. Kurven, naß, Spurrillen, fiese Lastwagen und viel einbiegender Verkehr. Ray gibt danach gerne das Steuer wieder ab an mich. Nach einem ekligen Automatenkaffee geht’s dann auch weiter, aber die ganze schöne Strecke durch die Hohe Tatra mit den zig Burgruinen, dem weiten Blick über Wiesen und Felder auf die Berge, die ich von früher kenne, ist wolkenverhangen und verreget. Die Laune hebt sich kein Stück und es zieeeht sich. Wir entscheiden, kurz vor Prešov einen Campingplatz aufzusuchen, den uns Open Street Map (immer noch als Navi brauchbar, sogar hier im Osten) als einziger in der Gegend empfiehlt.

Eine gute Empfehlung. Wir stehen zwar zunächst etwas ratlos vor einem halboffenen Tor einer etwas verlassen wirkenden Anlage, aber von innen ist das ganze dann recht nett. Fuschneues, noch unverputztes Sanitärhäuschen mit Dusche und Klo, ein paar kleine Holzferienhütten, ein bescheidener Spielplatz, ein Grillplätzchen, ein kleiner Naturbadeteich (mit wenig Wasser drin) und ein Planschbecken für die Kleinen. Alles noch recht neu angelegt und offenbar wenig genutzt. Das Highlight: ein kleiner Streichelzoo, d.h. Karnickelstall, Hühner, drei Ziegen, ein paar ziemlich zerfleddert aussehende Tauben im Schlag. Obligatorisch in einer entfernten Ecke ein kleines Dauercamper-Ensemble. Und eine gemütlich wirkende Kneipe mit Speisenangebot. Wir kochen natürlich im Womo :-)

Keine Sorge, wir hängen an einer etwas vertrauenswürdigeren Steckdose.
Keine Sorge, wir hängen an einer etwas vertrauenswürdigeren Steckdose.
Stellplatz in Prešov, „Prev Motorest KEMP“
Stellplatz in Prešov, „Prev Motorest KEMP“
Erstmal werde ich mißtrauisch beäugt, als ich ich einfach so auf die umzäunte Wiese hocke.
Erstmal werde ich mißtrauisch beäugt, als ich ich einfach so auf die umzäunte Wiese hocke.
Dann trabt Cheffe mutig voran und schleppt die Familie mit.
Dann trabt Cheffe mutig voran und schleppt die Familie mit.
Watt willst Du denn?
Watt willst Du denn?
Auch die kleine wird vertraulich
Auch die kleine wird vertraulich
Jetzt aber ein bißl sehr vertraulich, du sollst nicht mein Objektiv ablecken!
Jetzt aber ein bißl sehr vertraulich, du sollst nicht mein Objektiv ablecken!

Ich schätze, das ist eine alte sozialistische Ferieneinrichtung, die nach und nach modernisiert wird. Man sieht, daß es seine Zeit braucht, und manches wirkt noch etwas runtergekommen (z.B. die Stromanschlüsse, aber immerhin), es gibt eine einfache „Freilichtbühne“ und ein paar eingerahmte Autogrammkarten von prominenten Musikern im Restaurant. Und an der Einfahrt eine richtige Kontrollstation, die aber reichlich unbenutzt aussieht. Aber man sieht genauso, daß dran gearbeitet und Stück für Stück modernisiert wird. Wir sind die einzigen Mobilcamper hier, eine Hütte scheint besetzt. Richtig viel los ist also anscheinend nicht.

Als ich abends um das Toilettenhäuschen schleiche, um eine Möglichkeit zum letzten Chemiekloentsorgen vor der Ukraine zu finden, läuft mir die „Dauercamperin“ über den Weg und fragt etwas barsch „was suchst du?“ (slowakisch vermutlich, aber es war eh aus dem Kontext klar), ich gestikuliere etwas und stammele in meinem slawischen Pidgin von „Biotualet“ bzw. „chemitschni tualet“ und schaukele einen imaginären Kanister in den Armen. Großes Geschrei, auf keinen Fall hier am Klohäusel!!! Aber dort drüben auf der Wiese (dem Spielplatz …) das eingezäunte Karree, da ist der offene Kanaldeckel für dergleichen Schweinereien. Zweimal nachgefragt: doch, ja, ganz bestimmt hier. Wie gut, daß wir für die Fahrt auf die „grüne“ Chemie umgestiegen sind, mal sehen, was uns in dieser Hinsicht noch erwartet. Frischwasser gab es übrigens am Waschhaus, mit ordentlichem Gewinde für den Schlauchanschluß. 14 Euro das ganze, wobei der Strom mit 4 Euro doch am stärksten zu Buche schlägt, scheint etwas unproportional in der Gesamtrechnung.

Apropos Versorgung: Wie man sieht, ist die UMTS-Abdeckung hier gut und unsere Europasim-Karte, die in 35 europäischen Ländern (inkl. Ukraine!) für 2 Euro am Tag 100 MB Daten ausspucken soll, tut ihren Dienst vorbildlich.

Was will man eigentlich mehr? Doch, ich weiß es: etwas Sonne, bitte bitte bitte …!!!

2 Kommentare

  1. das mit der Euro SIM Karte ist ja vielversprechend….will ich auch.
    Ich habe seit gestern Abend hier Netz auf einem Campingplatz in der Bretagne, Nähe St. Pol de Leon, gefunden. Jetzt erst mal die Laptop Ruine etwas in Form bringen (neues Betriebssystem am Vorabend der Abfahrt), die neuen Bilder sichten und verkleinern und dann werdet ihr mich hier im Blog auch wiederfinden.
    Mit dem Wetter ging es uns auch nicht besser. Die letzten 2 1/2 Tage Sturm und Regen. Alles klamm und siffig. Heute ist aber eitel Sonnenschein. 14.ter Juli, Nationalfeiertag in Frankreich, wir werden uns wohl mal im Örtchen die Festivitäten anschauen.
    Bis bald. Jo

  2. Ich hoffe ihr habt kein Pfefferspray im Gepäck denn das kann ein Grund zum bestechen werden ;)
    Ansonsten: Viel Spaß in der Ukraine (Auch wenn es das mir bis jetzt unsympatischte Land, ist in dem ich war …)
    Gruß Johannes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert