Champagne: Nur freundliche Menschen, viel Gegend, tolle Gotik.

Nachdem ich mir gestern Verdun von der Seele geschrie(b)en hatte, haben wir uns noch einmal unseres Wasserproblems angenommen. Die Pumpe lief trotz abgeschaltetem Bedien-Panel und pumpte gegen die geschlossenen Wasserhähne an, was die Schläuche dann nicht wirklich mochten – sie wurden inkontinent. Pösslchen stand also unter Wasser, und es lief auch unten an allen Ecken und Enden raus. Toll. Wir haben dann als Notlösung erst einmal die Pumpensicherung ausgebaut, dann war Ruhe. Aber natürlich auch kein Wasser ;-) Sicherheitshalber hatten wir für den (Frost-)Notfall schon ein paar Flaschen trinkbares H2O besorgt, das jetzt fürs Kochen und Händewaschen reichen muß. Laut Erster Hilfe im Kastenwagenforum wird es wohl der Mikroschalter am Badwasserhahn sein, der die falschen Signale an die Pumpe gibt – wenn nicht die Pumpe selbst das Zeitliche gesegnet hat. Herr Nowak, machen Sie uns schon mal einen Termin nächste Woche frei …

Wir sind also nicht böse um den Campingplatz in Châlons-sur-Champagne, der sich nach unserer Ankunft zusehends füllt, vor allem mit Niederländern und Briten von Kastenwagen bis Dickschiff. WiFi ist kostenlos, stabil und schnell, Sanitärbereich (geheizt!) in der Nähe, Baguette kann man auch vorbestellen. Alles inklusive für 23,90 Euro. Wird Zeit, daß wir uns so eine ACSI-Karte besorgen. In Metz war das Wasser zum Duschen so brühheiß gewesen, daß ich verzichten mußte. Ich freue mich also heute morgen auf die Dusche, gehe früh raus, und es ist kalt. Eiskalt. Katzenwäsche mit Eiswasser, ein Traum! Müssen die netten Menschen in der Champagne mich also noch eine Weile müffelnd ertragen (und Ray wohl auch …)

Ist das ein zentraler Parkplatz für Pösslchen?
Ist das ein zentraler Parkplatz für Pösslchen? Im Hintergrund Notre-Dame-en-Vaux

Und unfaßbar nett sind sie, in der Tat. Es beginnt mit der Parkplatzfindung in Châlons. Zur Erinnerung: es ist Ostersamstag in der Stadt. Wir biegen auf einen kleinen Parkplatz im unmittelbaren Zentrum ein und vor uns scheint jemand rauszufahren – perfekt. Parallel neben uns ein PKW. Blickkontakt, ich den „hab Mitleid mit verzweifelter Womo-Fahrerin“-Blick aufgesetzt, er rollt vor neben den Parker vor uns, macht ihm Zeichen daß er doch mal endlich voran machen soll, damit wir einparken können. Fährt selbst unverrichteter Dinge Richtung Ausfahrt, steigt nochmal aus und winkt uns, ob alles OK sei. Habt Ihr sowas in Deutschland schon einmal erlebt? Ich nicht. (ich erinnere mich eher an das Arschloch aus Düsseldorf, das von der rechten Spur dreist vor uns vorbei nach links in die Parktasche auf dem Ehrenfeld-Gürtel flutschte, vor der wir auf der linken Spur mit Blinker warteten)

Einer von vier Löwen vor dem Hôtel de Ville.
Einer von vier Löwen vor dem Hôtel de Ville. Und ja, das da hinten ist so etwas ähnliches wie blauer Himmel, falls jemand vergessen hat, wie der aussieht.

Auf der Straße nach dem Office du Tourisme gefragt, begleitet uns eine freundliche Dame gleich die paar Meter um die Ecke und wir plaudern über das kalte Wetter und daß es  in Deutschland mit seinem Schnee noch viel schlimmer ist. Im Office du Tourisme spricht man englisch und wir bekommen einen deutschsprachigen Tourenvorschlag, den wir brav ablaufen, inkl. der zwei großartigen gotischen Kathedralen (wegen der wir ja hier sind). In der Bischofskathedrale St. Étienne probt man in großer Besetzung für Ostermesse mit Taufe, wir sind die einzigen Touristen und laufen rum, wo wir nur wollen. Die Lektorin strahlt uns an, als sie sieht, wie wir mit leuchtenden Augen zur Decke hoch strahlen. Wann kann man in einer Kathedrale schon einmal mitten in der Vierung stehen und nach oben blicken? Auch hier alles so offen gestaltet im Vergleich zu Köln, keine geschlossenen Chorschranken, sehr heller Sandstein und viel Licht durch die großen Fenster. So wie Gotik eigentlich mal gedacht war, oder? Die inneren Säulen im Langhaus sind übrigens durchgehend dick und rund und nicht diese schlanken gebündelten Pfeiler. Ihr wißt schon, was ich meine …

Die Fenster in St. Ètienne, und die ungewöhnlichen Rundsäulen
Die Fenster in St. Ètienne, und die ungewöhnlichen Rundsäulen
St. Étienne, direkt vor dem Altar
St. Étienne, direkt vor dem Altar
Kreuzgewölbe in St. Étienne
Kreuzgewölbe in St. Étienne

Der weitere Rundgang durch die Stadt dann die üblichen Punkte: Brücken, Hôtel de Ville, La Poste, Museum de la Ville, Place de la Republique, Markthalle etc.pp. Dann die zweite Kathedrale: Notre-Dame-en-Vaux, eine ehemalige Stiftskirche. Sie steht als Teil des Jakobsweges als UNESCO-Weltkulturerbe unter Schutz, ist aber von außen erheblich schlechter erhalten. Und/oder man hatte die Figuren gerade zur Restaurierung abgeholt … die bräunlichen 80er-Jahre-Glasscheiben in einem gotischen (!) Erdgeschoß-Vorbau waren aber schon ziemlich abstrus. Aber insgesamt auch wieder sehr individuell und beeindruckend. Viele romanische Anteile, so ist etwa der Südturm romanisch, der Nordturm gotisch, dennoch ein harmonisches Bild. Statt hoher Fensterwände im Langhaus gibt es hier breite Säulengänge über den Seitenschiffen, auch über dem Chorumgang, fast wie in Groß St. Martin. Auch hier open house: ein paar Stühlerücker für morgen gehen ihren Beschäftigungen nach, wir fast die einzigen externen Besucher. Die Kapellen im Chorumgang höher als in St. Étienne, aber noch mit erstaunlich vielen runden Zwischensäulen vor den einzelnen Kapellen. Da hat man sich wohl noch nicht so richtig getraut, ungestützt in die Höhen zu bauen …

UNESCO-Weltkulturerbe? Ich hoffe mal, das Portal ist zur Restaurierung abgeräumt
UNESCO-Weltkulturerbe? Ich hoffe mal, das Portal ist zur Restaurierung abgeräumt
Blick in das Kreuzgewölne von Notre-Dame
Blick in das Kreuzgewölne von Notre-Dame
In Notre-Dame en Vaux: über den Seitenschiffen noch Säulengänge. Da wäre ich gerne hochgeklettert …
In Notre-Dame en Vaux: über den Seitenschiffen noch Säulengänge. Da wäre ich gerne hochgeklettert …

Draußen dann von einem Herrn angesprochen: ob wir französisch sprechen, und wir sollten unbedingt das Klostermuseum hinter der Notre-Dame besuchen – es gäbe skulpturale Säulen, das sei „unique en Europe“. Hätten wir ja sehr gerne gemacht, leider ist den Franzosen ihre Mittagszeit heilig und alle Museen und Läden zwischen 12 und 14 Uhr geschlossen. Und um 14 Uhr haben wir uns in eine Bootstour durch die vielen kleinen Gewässer der Stadt eingebucht. Danach geht es weiter Richtung Troyes.

Sehr französische Leckerlis fürs Osterfest
Sehr französische Leckerlis fürs Osterfest

Zur Bootstour gibt es ein Video, aber ich fürchte das dauert noch etwas. Nur soviel: es ging auch unterirdisch durch die Kanäle und zum Aufwärmen waren Schoko-Ostereier für jeden inklusive. Ich sag ja: eine sehr nette Stadt.

Hinter Châlons begann wieder die nachmittägliche „Immer geradeaus“-Strecke, ab und zu unterbrochen von Verkehrskreiseln. Sehr viel Gegend, und immer noch keine Weinberge. Wo zum Teufel wird hier der Champagner produziert? Wir schmieden krude Verschwörungstheorien. In Troyes stoppen wir nur für einen sehr enttäuschenden Intermarché mit wenig Auswahl und konfuser Sortierung, dann geht es noch 25 Kilometer nach Süden, wo wir uns einen Stellplatz bei „Champagne Richardot“ ausgeguckt haben – hier muß aber dann doch mal Weinberge geben! Ganz plötzlich sind sie dann auch da, und die Gegend endet und es gibt wieder richtige Landschaft und idyllische, aber offenbar sehr geschäftige Dörfchen. Eine Champagnerkellerei an der nächsten. Bei Richardot auf dem Hof heißt es nur „installez-vous“ und wundern Sie sich nicht über schreiende Eselinnen am Morgen, wir sind auf dem Land. Infrastruktur keine vorhanden, dafür offenbar kostenlos und unkompliziert.

1er á la gauche, hier geht es endlich los mit der „richtigen“ Champagne.
1er á la gauche, hier geht es endlich los mit der „richtigen“ Champagne.
Hier sind wir richtig.
Hier sind wir richtig.
Endlich Weinberge!
Endlich Weinberge!

Es regnet und wir sind müde von den vielen Eindrücken. Wir probieren einen etwas weniger erdigen Roten als gestern aus dem Beaujolais und futtern Gnocchi al pesto mit Parmesan. Die hohe Kunst der Womo-Cuisine muß warten, bis wir wieder zuverlässig fließendes Wasser haben.

Perfekter Platz für das Baguette!
Perfekter Platz für das Baguette!

Morgen ist Ostersonntag, mal sehen, welche Kathedralen wir dann noch besichtigen können, ohne die Ostermessen zu stören.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert