Immer wieder erstaunlich, was sich in Kleinstädten, die man anderswo als „Provinznest“ klassifizieren würde, in Frankreich ganze Welten auftun. Soisson ist so ein Fall. Heute morgen schlugen wir unsere Zelte im gastlichen Vandières auf dem Wohnmobilstellplatz von Champagne Nowack ab, versuchten möglichst viel der „Terre amoureuse“ dortzulassen und aus Pösslchen rauszufegen, und machten uns auf den Weg durch die Weinberge Richtung Picardie. Jedem der Dörfer an der Strecke hätte man noch einmal einen kleinen Stopp gönnen können, aber dann wären wir morgen noch unterwegs … Tagesziel war Soissons, knapp 30.000 Einwohner, gotische Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert und noch so einiges mehr.
Pösslchen bekommt einen trotz Keilen leicht schrägen, aber zentralen und hübschen Platz am Kopfsteinpflaster-Ufer der Aisne direkt neben der VE-Säule, und das einzelne Wohnmobil nebenan reist noch am Nachmittag ab (nein, wir haben nicht gekuschelt!) und wir machen uns auf in die „Innenstadt“. Ein überraschend riesiges Hôtel de Ville, große Plätze mit Eislauffläche, noch eine Abbaye mit Museum, und schließlich die Kathedrale und die gigantischen Überreste der Abtei Saint-Jean-des-Vignes. Alles in allem deutlich größer dimensioniert, als man es bei der Einwohnerzahl erwarten würde. Aber Bischofssitz und immerhin im fünften Jahrhundert bereits größte Stadt des Frankenreiches, da bleibt wohl so einiges hängen.
In der Kathedrale blieben wir eine Weile hängen, sie war gotisch-hell, hohe Fenster, guter Zustand, wenn man mal von dem fehlenden Nordturm und den Einschußlöchern aus dem vorletzten Krieg absieht. Allerdings ist das mit dem guten Zustand so eine Sache, die Kathedrale ist praktisch in den 20er/30er-Jahren neu aufgebaut worden, so zerstört war sie im Ersten Weltkrieg.
Nur für den fehlenden Turm können die Deutschen dann wirklich nichts, der ist wegen des 100jährigen Krieges gar nicht fertig geworden. Der kleine Kirchenführer in deutscher Sprache mit dem Titel „Verlassen Sie Soissons nicht ohne seine prächtige Kathedrale zu besichtigen!“ scheint etwa von 1970 zu sein. Erstaunlich, daß diese sehr bekannten Bauwerke dann doch so wenige lokale Publikationen nach sich ziehen.
Wirklich beeindruckend dann die großen Ruinen der Abtei, von der dann doch noch mehr vorhanden ist, als man zunächst erwartet. Aber allein die stehengebliebene Westseite verschlägt einem die Worte.
Aber Soissons besteht natürlich nicht nur aus Gotik und Gestern. Ziemlich zentral finden sich an einem Gebäude geheimnisvolle Botschaften von ganz links, die davon zeugen, daß ein Besuch der lieben Marine LePen während des letzten Wahlkampfs nicht so ganz erfolgreich abgelaufen ist. Woran das wohl gelegen hat?
Und es wäre natürlich auch kein Silvesterabend bei Elke + Ray, wenn wir nicht noch einen kleinen Abstecher in die nächste Boulangerie-Patisserie gemacht hätten …
Euch allen einen guten Rutsch und ein leckeres 2016!