Die Tatra hatten wir ja wettermäßig verpaßt, aber als wir Samstagfrüh aufstanden, blitzte tatsächlich etwas blauer Himmel und die Sonne durch, so daß wir zeitig mit einem Milchbrötchen vom Vortag im Bauch loszogen.
Auf dem Tagesplan stand eine private Aktion; die Suche nach dem Kriegsgrab eines Vorfahren, das ich im Jahr 1990 bereits einmal hier gesucht hatte. Ohne die Geschichte jetzt auszuwalzen: wir wurden leider nicht fündig. Daß man nicht nach 22 Jahren zu einem Ort zurückgeht, ohne vorher etwas im Internet zu recherchieren (und das mir!), ist mir hinterher dann auch klargeworden. Die Geschichte ließe sich jetzt noch etwas länger auswalzen, ist mir aber etwas zu persönlich für dieses Reiseblog.
Die Grenze Slowakei-Ukraine: Nachdem wir in unserer grüne Versicherungskarte noch sichergestellt hatten, daß auch wirklich nicht „LKW“ drinstand, sondern „sonstiges Fahrzeug“, reihten wir uns brav in die sehr kurze PKW-Schlange zu den EU-Passinhabern ein. Man hat jeweils Zoll- und Paßkontrolle getrennt, einmal slowakisch, einmal ukrainisch. Insgesamt hat die Prozedur gut 30 Minuten gedauert, die Zöllner fragen freundlich, ob sie eintreten dürfen und putzen auch die Füße ab. Ich hatte eigentlich nie große Probleme an dieser Grenze, und diesmal war es beinahe ein Vergnügen. Die meiste Zeit brauchte auf beiden Seiten jeweils der Zöllner, der unsere Autodaten in den Computer eintippen durfte – per Ein-Finger-Adler-Suchsystem.
Mit den zwei ukrainischen Stempeln im Passierschein rollten wir also bei schönstem Wetter durch den letzte Schlagbaum ab nach Uschhorod (Uzhhorod auf den internationalen Wegweisern). Die Stadt liegt direkt hinter der slowakischen Grenze am Fluß Usch und ist der perfekte Startpunkt für eine Reise in die Karpaten. Für sich genommen, hat die Stadt in den postkommunistischen Jahren einerseits viel von ihrem verschlafenen Ex-Österreich-ungarischem Charme verloren, andererseits hat sich gerade in den letzten Jahren auch einiges zum Guten gewendet. Die Innenstadt mit ihrer Flußpromenade und der Fußgängerzone lädt mit vielen Cafés zum Flanieren und Verweilen ein, Handy- und Klamottenläden en masse und wer möchte, kann sich auch noch für eine Bergtour ausrüsten (Outdoorladen am prospekt svobody). Fotos liefere ich nächste Woche noch nach, bis jetzt war noch wenig Zeit für etwas Nettes.
Wir standen privat bei den Großeltern unseres Patenkindes etwas außerhalb: Fünf Zentimeter auf jeder Seite des Einfahrtstors, ich bin da Samstag zwar reingekommen, war aber froh, daß Ray das Rausfahren heute übernommen hat. Selbstverständlich gab es eine kleine Diskussion, ob wir in den frisch bezogenen Betten im ersten Stock (und unsere Freunde zu viert zusammengequetscht im anderen Zimmer auf Matratzen und Sofas) schlafen würden, oder in unseren eigenen Betten im Pössl, aber wir haben uns durchgesetzt. Durch manche Beleidigung muß man durch, dafür kennen wir uns jetzt lange genug …
Sonntag und Montag vergingen mit leckeren Grillaktionen und Kaffeetrinken mit alten Freunden. Für Ray immer etwas anstrengend (nicht wegen des Wodkas, sondern wegen der Sprache), aber wir haben ja jetzt die Möglichkeit, uns auch mal etwas zurückzuziehen, und: die Europasim funktioniert herausragend! Für 2 Euro am Tag ein zwar langsames, aber stabiles UMTS-Netz. Zusätzlich haben wir uns eine lokale MTS-Karte geholt, die mir für sage und schreibe 450 Hriwnja (4,50 Euro) eine ukrainische Telefonnummer mit 1500 MTS-Telfonminuten, 1500 freie SMS und 1,5 Gigabyte Datenvolumen für den Monat liefert. Theoretisch natürlich nur für das Smartphone, schauen wir mal was es mit meinen Bilduploads für diesen Blogbeitrag macht. Weitere Einkäufe: ein leichter chinesischer Wasserkessel aus rostfreiem Stahl für 6,50 Euro.
Dienstagmorgen packen wir Patensohn in den Pössl, den Kofferraum voll mit Proviant aus dem heimischen Garten, der für die nächste Wirtschaftskrise reicht und fahren Richtung Lemberg los. Was wir inzwischen gelernt haben: Lemberg ist ein Regenloch, und wir sind schon zweimal im strömenden Regen durch die Stadt gelatscht. Wir haben uns fest vorgenommen, sofort wieder abzhauen, wenn die Sonne nicht scheint. Zielpunkt ist ein Stellplatz an der Trabrennbahn (Hippodrom), mehr wissen wir nicht darüber.
Es geht über die Karpaten rund 260 Kilometer nach Norden, und aus den netten Schäfchenwolken am Morgen werden ausgewachsene Cumulusse in den Bergen, und eine fette Wolkendecke mit vereinzeltem Nieselregen, je näher wir Lemberg kommen. Die Straßen sind vor und hinter den Karpaten recht gut, streckenweise zweispurig mit einem ganz leichten Autbahnfeeling. Die Trabrennbahn liegt laut OSM direkt hinter der Kreuzung auf die Umgehungsstraße, und das Navi führt uns rechts ab. Direkt neben der Trabrennbahn liegt das neue, derzeit völlig ausgestorbene EM-Stadion – schick!
Da sehen wir ein interessantes Schild: (Auto-)Campingplatz in 18 Kilometern. Das wollen wir uns dann doch ansehen, vielleicht finden wir ja noch eine interessante Alternative zur Trabrennbahn, wo wir nicht wirklich wissen, was auf uns zukommt. Wird leider nix draus, wir fahren rund 20 Kilometer weiter, ohne daß sich das Schild wiederholt oder sich etwas Campingplatzartiges auftut. Also zurück. Wir biegen direkt zum Hippodrom ein und landen in merkwürdigen Hinterhöfen. Hier kann das wohl nicht sein. Einmal rund um das Hippodrom, nix. Wir hatten uns vorgenommen, jetzt einfach das nächstbeste Hotel anzufahren, aber da! Ein Schild „Hotel Jockey (жокей) – Motor Kemping“, das muß es sein. Man hätte einfach nur geradeaus weiterfahren müssen und wäre praktisch drüber gestolpert.
An der Einfahrt wird uns der Schlagbaum ohne Rückfrage geöffnet, und an der Rezeption ohne Paß oder weitere Nachfragen 200 Hriwnja (20 Euro – *schluck*) abgeknöpft. Aber: Saubere Toiletten ganz für uns alleine, Strom und beinahe auch WLAN, aber das funktioniert wohl heute nicht. Duschen heute nur kalt, aber was soll’s, wir haben Uschhorod sauber geduscht verlassen. Dach auf, Markise raus, aber wo ist unser kleiner Klapptisch? Er taucht ums Verrecken nicht auf. Nach längerem Nachdenken haben wir den Verdacht, daß er mit unserer Markise in Schachtholm fliegengegangen ist und wir das vor lauter Aufregung gar nicht bemerkt haben …
Jetzt aber noch einen kleinen Abendspaziergang über die Trabrennbahn (erwähnte ich, daß die Sonne rauskam?) und dann versuchen wir mal, diesen Blogbeitrag ins Internet zu bekommen… Drückt mir die Daumen, liebe Leser!
Nachtrag: Wow. Aus dem Abendspaziergang wurde eine kleine Tour ins gegenüberliegende Einkaufszentrum, inkl. Praktiker-Baumarkt, wo wir uns einen neuen, viel besseren Tisch als den alten besorgt haben (30 Euro). Das Zentrum sieht fuschneu aus, als ob es zusammen mit der gegenüberliegenden Fußballarena entstanden ist. Viel los, aber nicht überlaufen, und herausragende Auswahl – wenn ich auch ein älteres MacBookPro hier für den Preis nicht kaufen würde (aber ein Original-EM-2012-T-Shirt, runtergesetzt für 10 Euro). Generell ist fraglich, wer sich das alles leisten kann, aber das ist schon wieder ein anderes Thema, das ich heute sicher nicht mehr ausführen werde. Der Kontrast zwischen „bloß alles aus dem heimischen Garten mitnehmen, um kein unnötiges Geld zu verschwenden“ und dem hier ausgestellten Luxus ist jedenfalls frappant.
Abends: Tisch einweihen, unseren 17jährigen Begleiter mit Pesto a la Genovese bekanntmachen (er mag es), Holunderblütensirup und Bier. Müde.
RT @reisemobilisten: Suche in der Slowakei, Ankommen in der Ukraine und weiterziehen http://t.co/e1sSpTkv
Hallo Schatzi,
die Küsschen habe ich weitergeleitet. Die Mädels liegen gerade im warmen Bus, wärend ich im kalten Pavillion hocke.
Heute soll es hier noch mal richtig regnerisch werden und morgen wieder heiter. Da beneide ich euch in eurem Pössl mit Platz satt. Zwei Mann (oder Frau) in Bus – Bus voll. Drei in Bus – Bus übervoll.
Ich werd gleich mal über unser Gourmet Essen gestern Abend etwas resümieren und den ersten Bericht weiterführen.
LG Jo (und Mädels)
P.S. gegenüber steht ein Pössl mit Schalke Fans, Bilder folgen