Der Osterurlaub beginnt bei uns diesmal Gründonnerstagmittag, als wir uns mit Pösslchen Richtung Belgien aufmachen. Bei Heike Kügler-Anger mit ihrem Blog Regenbogenkombüse hatte ich einen hochinformativen Blogbeitrag über die Opalküste und den französischen Norden gefunden, mit einem Hinweis auf den Kinofilm „Willkommen bei den Sch’tis“, der uns bis dahin natürlich völlig entgangen war. Zur Einstimmung schauten wir ihn deshalb zwei Tage vor Abreise noch an – ein guter Tipp!
Tagesziel ist De Panne kurz vor der französischen Küste. Vorher gibt es noch einen kleinen Abstecher nach Vladslo, wo Käthe Kollwitz’ berühmtes „Trauerndes Elternpaar“ im Original auf dem deutschen Soldatenfriedhof aufgestellt ist. Ihr 1914 gefallener Sohn liegt dort begraben.
Daß das Meer in Belgien völlig zubetoniert ist, war uns klar, aber die Dünen von De Panne hatte ich schon einmal besucht und in guter Erinnerung. Völlig naiv hatten wir uns den schönen Campingplatz Zeepark direkt in den Dünen mit ein paar Metern zum Meer ausgesucht. Profitipp: Vor Feiertagen in Touristenhochburgen reservieren, Vorsaison hin oder her. Wir wurden wegen Überfüllung zum Camping Greenpark weitergeleitet, der – wie der Name schon sagt – nicht an der See, sondern im Grünen liegt. Für eine ruhige Übernachtung war dieser genau der richtige Ort. 15 Euro inkl. Strom, saubere Sanitäranlagen, ansonsten etwas „vergane Glorie“, aber so mögen wir es ja. Es zieht hier auch hunderte Meter vom Meer entfernt wie Hechtsuppe, so daß wir uns nicht mehr zum Strand durchschlagen. Die Runde durch De Panne mit den Hochhausblöcken vor der Strandpromenade hat uns auch hinreichend abgeschreckt. Dabei hat das Örtchen so viel ursprünglichen Charme! Leider ist davon nicht mehr viel übrig.
Freitag dann aber endlich weiter nach Frankreich. Karfreitag ist hier ja kein Feiertag, so daß wir aus dem verschlafenen Belgien nach rund 20 Kilometern in ein wuseliges Dünkirchen kommen. Unser erster Belfried – ein typischer Glockenturm der Region – empfäng uns freundlicherweise mit einem Aufzug, so daß wir nur die letzten, engen Stufen hoch müssen. Aber der Ausblick! Wir können uns überhaupt nicht trennen. Zum Meer und Hafen hin viele Schiffe und ein Stahlwerk für Ray, auf der anderen Seite für mich Dachstrukturen und das, was von der historischen Altstadt übriggeblieben ist, nachdem die Deutschen hier fünf Jahre gehaust hatten. Pösslchen stand übrigens für 2 Euro brav am nahegelegenen UNESCO-Kulturerbe-Rathaus mit seinen traulich vereinten flämischen und französischen Flaggen.
Den Abstecher in Richtung Hafengegend mit zwei großen Kunstmuseen haben wir dann kurz gehalten, das Meer war natürlich wie immer grade weg, wenn ich hier oben bin, und der unerwartet entdeckte Womo-Stellplatz war irgendwie obskur einsam und abgelegen (also wie in „hier will ich nicht übernachten“, nicht wie in „ach wie romantisch“).
Auf den Intermarché! (hallo Maria!) Für die nächsten zwei Tage versorgen wir uns mit Käse-Leckereien und allerlei Grundnahrungsmitteln, optimistisch auch mit Grillkohle und etwas für auf den Rost. Dann geht es weiter nach Bergues, dem Schauplatz der „Sch’tis“.
Und das lohnt sich wirklich, ein wahrlich schnuckeliges Örtchen, das wohl tatsächlich erst nach dem Kinofilm touristisch „entdeckt“ wurde. Da es schon Nachmittag ist, ziehen wir den zentrumsnahen „Camping Vauban“ in Betracht, aber erst einmal auf den Beffroi (Belfried)! Auch hier ist die Touristeninformation unten drin, und man warnt vorsorglich vor dem sehr engen Zugang zur Aussichtsterrasse. Gut daß wir drüber gesprochen haben, denn Ray hatte mit seinem Fotorucksack schon in Dünkirchen Probleme, durchzukommen. Die Dame winkt auch ab: pas possible avec le sac! Also gut, dann lassen wir ihn unten. Wer sich beim Aufstieg (diesmal kein Lift) über die Betondecken und die Betonstufen wundert: fragen Sie Ihren Großvater. Der Turm wurde erst 1961 wieder aufgebaut, nachdem er 1940/44 erst in Brand bombardiert und abschließend noch gesprengt wurde. Also der dritte Turm am Platz, nach einem von 1112 und einem aus dem 14. Jahrhundert. Und: es ist wirklich eng da oben. Aber auch hier ein großartiger Ausblick. Das wechselhafte Wetter und der Wind sorgt für klare Luft und gutes Fotolicht.
Hätte ich jetzt den Artikel in der Regenbogenkombüse richtig gelesen und mir auch was davon gemerkt, wären wir nicht so überrascht gewesen von dem Ausblick auf einen Wohnmobilstellplatz ganz nah beim Städtchen. Nach einem kleinen Spaziergang ziehen wir mit Pösslchen dorthin, und das war eine gute Entscheidung. Wir rollen auf den Platz, und neben uns rollt das Womo in der Pole Position raus. Pösslchen also mit Exklusivblick auf die Stadtmauer und den Belfried, alle anderen (und es werden richtig viele) für uns unsichtbar hinter uns.
Gegen Abend nehmen wir noch mal die Fahrräder und umrunden die winzige Stadt. Es nieselt zwischendurch, unterbrochen von Sonne und Fotolicht. Dann aber ganz stilecht ins „Café de la Poste“, in das Danny Boone mit dem Postfahrrad reingeknallt ist. Der Wirt ist verwirrt, als er das Bier („Ch’ti“), den Pastis und den Espresso bringt, und ich das Bier zu Ray hinschiebe ;-) Zum Schluß, mutig mit dem Pastis im Bauch, stelle ich noch eine Frage an den Wirt, und ich verstehe wirklich und wahrhaftig kein Wort von dem, was er sagt. Zum großen Teil wird’s an meinem Französisch liegen, zum Teil aber mit Sicherheit auch an seinem … Wir sind glücklich und radeln Richtung Pösslchen, in dessen Rücken sich inzwischen bestimmt an die 40 weiße Schiffe angesammelt haben. Wer die Einsamkeit sucht, ist hier nicht unbedingt richtig, aber das Örtchen ist einen Besuch wert!
Noch ein Tipp für Internetjunkies wie uns: Die Europasim, die uns neuerdings täglich mit 500 MB für 3 Euro europaweit versorgt, tut ihren Dienst mal wieder vor-bild-lich!