Südwestengland mit dem Wohnmobil: Exmoor Nationalpark – Porlock – Combe Martin – Croyde Bay
(Beitrag später geschrieben und wg. der Chronologie zurückdatiert) Eine Woche haben wir uns treiben lassen, teilweise und nur langsam kommen wir etwas zur Ruhe. Zwei Tage Exmoor liegen hinter uns, die uns großartige Blicke übers Land und Meer brachten, aber auch eins deutlich machten: Einmal an der Küste entlang zum Land’s End und zurück können wir definitiv vergessen; ich habe mich mit den Entfernungen mal wieder grandios verschätzt. Man fährt auf den schmalen Straßen hier gemütliche 40 – 60 km/h und hält an den vielen Aussichtspunkten gerne mal an. Wenn wir so weitermachen, sind wir Weihnachten wieder in Dover, eigentlich ein sehr verführerischer Gedanke … Aber wir versuchen, den Moment zu genießen, weniger ist mehr.
Von Cheddar und der Cheddar Gorge (kurzes Hohenschwangau-Feeling, schnell weg hier!) ging es Richtung Devon, wo wir uns in Dulverton, dem Nationalparkzentrum vom Exmoor, einige Tipps für schöne Strecken und Orte geben ließen (empfehlenswert, sehr freundlich und der Ranger schien auch zu verstehen, was wir mögen und was nicht). Dann schlugen wir uns Richtung Porlock im Norden durch. Schafe, Kühe, Exmoor-Ponies, es gibt sie wirklich noch hier oben, und man teilt die Straße mit allen.
Und dann die Hochebene! Die lila blühende Heide – ein Traum. Und dann von dort der Blick über die Steilküste ans Meer hinunter. Auf der Suche nach dem perfekten Fotomotiv schmiß ich mich mit vollem Körpereinsatz in die Heidelandschaft, was nicht nur Ray amüsierte und auf seinem Kamerachip lustige, Elke-farbige Flecken in der lila Heide hinterließ, sondern mir selbst beim Aufstehen eine kleine Meditation zum Thema „nur feuchtes Gras oder Schafskacke an den Klamotten?“ bescherte.
Zum prächtigen Blick von der Hochebene kam ein geschäftstüchtiger Eismann, der Original Devon-Eiscreme aus Schafsmilch feilbot, das wir uns natürlich nicht entgehen ließen. Ehrlich gesagt hatten wir aber schon deutlich besseres Eis und wir belassen es für den Rest der Reise bei diesem einen Versuch.
In Porlock fanden wir eine sehr sympathische Camping-Wiese mit Strom, von der aus wir das scheinbar naheliegende Meer erahnen konnten. By the way, hier ein kleines „übrigens“ zu den Besonderheiten englischer Campsites: Man findet – z.B. bei unseren ersten Nächten in Cheddar oder bei Barbara + Fred – gelegentlich die Auszeichnung „Adults only“. Das ist nicht, wie man vermuten könnte, ein Swingerclub für Campingfans, sondern das Gegenteil von „Family friendly“, das in der Summe häufiger vorkommt. Auf solchen Plätzen sind Kinder – Personen unter 18 Jahren – tatsächlich unerwünscht, häufig gibt es noch den Zusatz „no single-sex-groups“, was dann wohl auch Junggesellenabschiede oder kreischige Kegelclubs draußenhält. Was bleibt, ist eine sehr ruhige Rentneratmosphäre, die gelegentlich natürlich etwas für sich hat (gibt’s in der deutlich kommunizierten Form aber in Deutschland nicht, oder?). Das andere Extrem sind aus unserer Sicht die gaz großen Caravan-Leisure- und Holidayparks, die wir zu vermeiden suchten (und die noch mehr ins Geld gehen). Ganz ohne die recht verbreiteten feststehenden „Mobile Homes“, auf Bungalows getrimmte hellgelbe Blechcontainer, kamen wir auf der Reise nicht aus, aber z.B. hier in Porlock haben wir eine sehr zwanglose, fast hippieske Atmosphäre erwischt – überhaupt ist dieser Typ „große Wiese mit Dusche und Stromanschluß“ mit überwiegend großen Familienzelten ein guter Mittelweg, der sich für den Rest der Reise etabliert, da das mit dem Freistehen so eine Sache ist in England.
Unser Spaziergang zum „naheliegenden“ Meer in Porlock zog sich etwas, und es war – natürlich – mal wieder Ebbe, als wir etwa bei Sonnenuntergang ankamen. Ich übersprang eine kleine Pfütze für die optimale Fotoposition und sag noch „na, hoffentlich kommt hier nicht gleich die Flut“, und als ich mich drei Minuten später umdrehe, war die Pfütze dreimal so breit und deutlich tiefer und Ray hatte mal wieder Spaß … Es waren bestimmt nicht die letzten nassen Füße auf dieser Reise.
Noch schnuckliger als das kleine Porlock ist der nahegelegene Hafenort Porlock Weir, den wir am nächsten Tag im strömenden Regen erreichen. Alles sehr geruhsam, aber natürlich auf Touristen eingerichtet. Ein erster Eindruck von den schmalen Straßen hat sich in den letzten zwei Tagen schon eingestellt, aber mit Pösslchen müssen wir vor fast nichts Angst haben. Das Besondere sind einspurige Straßen mit exakt am Straßenrand hochgezogenen Hecken oder Mauern, so daß man nicht hinter die nächste Kurve schauen kann. Für den Gegenverkehr gibt es alle paarhundert Yard eine Ausweichstelle, wobei es sich meistens ganz von alleine ergibt, wer wo stehenbleibt und den Gegenverkehr durchläßt oder sogar etwas zurücksetzt. Sehr englisch-höflich alles, mit Handzeichen zum Dank und weiter geht’s. Auf der ganzen Reise habe ich vielleicht zweimal eine Hupe gehört.
Wir gondeln weiter an der Küste entlang und verlieben uns ein wenig in den Küstenort Combe Martin an der westlichen Ecke von Exmoor. Eingeschnitten in hochaufragende Felswände liegt ein kleiner, durchaus touristischer Ort, ein Bach fließt in eine Bucht mit Sand und großen Steinen. Riesige blühende Hortensiensträucher an den Hängen. Überall kleine Wasserlöcher, in denen allerlei Krabbeltiere leben. Ein Paradies für Kinder, die hier mit Eimern und Käschern den ganzen Tag beschäftigt sind. Wem langweilig wird, der kann sich an einem „Pebble stacking contest“ beteiligen und das schönste Kunstwerk aus Strandkieseln bauen (hier beteiligten sich bei weitem nicht nur die Kinder).
Schon etwas trubelig hier, aber ohne Hektik, ganz entspannt, schönes Licht, großartige Landschaft, und wir genießen nach einem längeren Strandspaziergang unseren ersten Original „Cream Tea“, die Spezialität von Devon und Cornwall, bei der zum Tee mit Milch (wie konnte ich das bisher nur verpassen? So lecker!) ein Scone (eine Art Mürbegebäck-Muffin), mit Clotted Cream (eine Art Sahne mit einer kleinen Rahmkruste) und Marmelade bestrichen wird. Die Kunst ist es, jeweils in Devon und Cornwall die richtige Reihenfolge einzuhalten: Sahne oben oder Marmelade oben? Lecker sind beide Versionen und ersetzen vom Gehalt her auf jeden Fall ein gutes Mittagessen …
Ein heißer Tipp unserer Nachbarn auf dem Campingplatz in London brachte uns nach Croyde, was schon Cornwall ist, mich persönlich aber eher schlauchte und auch zeigte, wie verschieden die Geschmäcker sind. Ein eindrucksvoller, großer Sandstrand ist eben nicht alles. Alles voller Surfer, rappelvoll, nervig, Mallorca-Feeling. Wir mußten bleiben, weil wir müde waren und nicht mehr weiterwollten, und wurden vom riesigen (!) „Farm“-Campingplatz angenehm überrascht. Hier löst man das „Adult only“/„Single Sex groups“/„Family-friendly“-Problem einfach durch intelligentes Verteilen der Plätze, und so teilten wir uns einen höhergelegenen, sehr ruhigen Platz mit Blick aufs Meer mit einem sehr stilvollen jüngeren Pärchen im edlen Safari-Zelt, das sich sogar Holzmöbel und Bistrostühle mitgebracht hatte, auf denen sie eingemummelt saß, ihren Wein schlürfte und im eBook las. Die Surfertruppen mit ihren morgens kniehoch gestapelten Bierdosen vor dem Zelt blieben uns ebenso erspart wie die Frühaufsteher-Spielplatzgangs. Dennoch konnten wir uns mit diesem Ort nicht wirklich anfreunden und zogen am nächsten Tag weiter.
Hallo Ihr! Sehr schöne Reiseberichte. Wir haben tolle Ideen durch Euch erhalten und hoffen Euch mal auf den Reisen zu treffen. Wir sind häufiger in Abby Wood / London mit dem Womo und stammen ursprünglich aus der Nähe von Köln.
LG Thomas Bauer
Lieber Thomas, das freut uns, es macht immer wieder viel Spaß, unsere Eindrücke möglichst zeitnah und frisch festzuhalten. Ein Lob freut uns dann extra :-)