Englands Südwesten im Wohnmobil: Exeter – Dorset – Jurassic Coast
Südlich von Exeter haben wir mit Topsham ein kleines Örtchen gefunden, das den Namen „pittoresk“ wirklich verdient. Am Ufer der Exe gelegen sehen wir auf unserem Abendspaziergang: kleine Läden zum Stöbern, Antiquariate, Trödelhallen, Pubs, feine Restaurants. Unser Stellplatz auf der Highfield Farm entpuppt sich als höchst unkonventionell, trotz „Caravan Club Certification“ – der Farmer ist in Urlaub (Camping…), ein junger Mann, der selbst im Caravan dort wohnt, erklärt die Gegebenheiten, die stark unseren Stellplätzen ähneln: legt das Geld in den Umschlag und steckt es in den Briefkasten. Die Farm wirkt einsam, irgendwo zwischen idyllisch und verwahrlost (so wie ich es mag) und mit einigen Ansätzen von Modernisierung. Duschen werden wohl gerade erst gebaut, die Toiletten im Anbau am Farmhaus sind OK, aber die Efeuranken um das Waschbecken vielleicht nicht jederfraus Sache. Dafür ein Second-Hand-Bücherregal mit Hanni und Nanni im Original im Vorraum. Es gibt jedenfalls Strom und Frischwasser, und eine große Wiese, für 12,50 Pfund (10 Pfund ohne Strom), was bisher der preiswerteste Platz unserer Reise war. Hier ließe es sich im Grunde wirklich aushalten, zumal Topsham wirklich sehr nett ist, das einzige störende Element ist die nahegelegene Autobahn M5, die man wirklich sehr deutlich hört, zumindest so wie gestern der Wind stand.
Aber heute morgen geht es wie geplant nach Exeter, wo wir gezielt den Parkplatz „Haven Banks“ ansteuern, den uns die Broschüre „Motorhome friendly parking in England“ empfiehlt. Liegt unten an den Hafenkais, bei denen der Gentrifizierungsprozess zu 70% abgeschlossen ist: neben verrottenden Schiffen und Resten von Industrie gibt es eine Kletterhalle im großen denkmalgeschützten Gebäude, Kanuverleih, Restaurants und allerlei wirklich schöne Geschäfte lokaler Kunsthandwerker in einer Art Bahnbögen. Und eine handbetriebene Seilfähre für 40 Pence.
In gut 10 Minuten ist man zu Fuß an der Kathedrale, wo wir uns natürlich wieder mal eine ganze Weile aufhalten und uns am Reichtum des Skulpturenschmucks, den Fenstern und Epitaphen nicht sattsehen können. Besonders schön ist es immer, wenn man in die Mitte des Chores darf und ganz nah an das Chorgestühl, diese Ehre hat man in Köln nur alle Jubeljahre mal. Andererseits habe ich auch in Köln noch keine eingeritzten Graffiti an den Liegefiguren der Sarkophage gesehen – wobei dieser Vandalismus hier eine gewisse Tradition zu haben scheint, eine eingeritzte Jahreszahl war 16.. oder so. Auffällig waren aber tatsächlich auch die vollständig fehlenden Domschweizer, und der erbärmliche Zustand vieler Steinskulpturen innen wie außen. Die große Orgel wird wohl gerade saniert und es gibt auch Kampagnen für die Restaurierung – offenbar gibt es auch keine Dombauhütte wie in Köln, sondern die Arbeiten werden von privaten Firmen ausgeführt. Bei den Teilen, die bereits restauriert sind, fällt vor allem die (für unsere purifizierten Augen) extreme Farbigkeit auf, z.B. die figuralen Schlußsteine der Deckengewölbe oder einzelne Grabmäler.
Exeter und seine Kathedrale ist 1942 bei deutschen Luftangriffen schwer beschädigt worden, in der Innenstadt sieht man deshalb außerhalb des engsten Kathedralenbezirks viel Neues Bauen der Nachkriegszeit, das zum Teil an Karl Band, zum Teil an die Ziegelarchitektur in Norddeutschland oder Holland erinnert. Für einen kleinen Rundgang hatte das seinen Reiz, aber es zieht uns bald wieder raus aus der Stadt in die beschaulicheren Ecken von Südwestengland. Kurz hinter Exeter beginnt nämlich die Jurassic Coast, Weltkulturerbe und Schauplatz von dramatischen Fossilienfunden schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Wenn ich mich richtig entsinne, glaubte man damals noch, die gefundenen Kreaturen – darunter Saurier – müßten Tiere sein, die es bei der Sintflut nicht mit auf die Arche geschafft hatten.
Wir durchfahren das sehr überlaufene quirlige Lyme Regis und landen in Charmouth, wo direkt am Strand wieder mal ein Parkplatz liegt, der wie geschaffen als Womo-Stellplatz wäre. Wer hat bloß etwas von nächtlichen leeren Parkplätzen („gate closes at 9 pm – no overnight parking“)? Wer verzichtet so gerne auf – sagen wir mal – 5 Pfund, die die Womofahrer dort mit Handkuß zahlen würden, für den Blick auf den Strand vom Frühstückstisch aus?
Nun gut, genug gejammert, wir finden ein paar Meter weiter die Flußmündung hoch den Seadown Caravan & Camping Park, der uns aber leider nur eine Nacht unterbringen kann, nicht die gewünschten zwei. Ein langes Wochenende liegt offenbar vor uns – gut, daß wir drüber gesprochen haben … Wir nehmen die einzelne Nacht und planen etwas um. Ein abendlicher Spaziergang an der Fossilienküste weckt Goldgräberinstinkte: Es scheint tatsächlich so, daß man nur mit dem Hämmerchen (wir nehmen ersatzweise Faustkeil und Stein) ein wenig in den Schichten klopfen muß, und man kann mindestens ein paar sehr attraktive Ammoniten zutage fördern (zumindest erscheinen sie uns attraktiv). Mit vollen Taschen machen wir uns im Gegenwind auf den Weg zurück, wir sind doch ein ganzes Stück gelaufen und rechtschaffen müde zum Schluß.
Morgen wandern wir ein Stück oberhalb der Steilküste zum Golden Cap, dem hächsten Punkt an Englands Südküste.
And now something completely different: Blaubeerpfannkuchen!