Provence fast streßfrei mit dem Wohnmobil

Tag 1: Anreise Schengen – Mont Ventoux

Provence. Seit bald 25 Jahren war ich nicht mehr dort, Ray noch nie, und wir haben „nur“ zwei Wochen Sommerurlaub. Also ein gutes Ziel in erreichbarer Nähe. Wir nehmen den Freitagabend gemütlich von Köln bis runter nach Luxemburg, um den Dieseltank nachzufüllen, und nächtigen auf dem Stellplatz in Perl/Schengen, den uns Michael in seinem Reisemobil-Blog ausführlich beschrieben hat. Ergänzend ist anzumerken, daß man statt am Schwimmbad inzwischen auch mit dem Handy bezahlen kann (allerdings sechs Euro statt fünf wie angeschlagen), und der „teilweise Weitblick“ des Platzes, den Michael 2009 hatte, durch eine Neubausiedlung deutlich „teilweiser“ geworden ist. Und es gibt in der Nähe auch noch den Supermarkt, der mit „Re“ anfängt, und mit „we“ aufhört, mit leckeren Brötchen. Abgesehen davon regnete es allerdings in Strömen, der Platz war voll, und wir wollten eigentlich nur schlafen. Dafür paßte es schon.

Der nächste Tag war von den wunderbaren Maut-Autobahnen in Frankreich geprägt. Statt diese Strecke zu nehmen, hätten wir auch (billiger) in Deutschland bis Freiburg runterfahren können und dann erst nach Frankreich, aber das Fahren und auch die Rastplätze sind so entspannt und angenehm – das war uns die rund 40 Euro Mehrkosten wert. Wir kamen relativ zügig und entspannt, nach einem kleinen Abstecher in den Supermarkt usw. gegen 18.00 Uhr am Fuße des Mont Ventoux an und wollten oben übernachten. Die Wetter-App zeigte viele Sonnensymbole an, klarer Himmel, Hauptsache kein Regen! (und Wind, naja, den wird’s hier ja wohl immer geben, Mistral eben, so what?).

Da liegt er friedlich mitten im Land.
Da liegt er friedlich unter blauem Himmel mitten im Land.

Der Aufstieg machte Pösslchen überhaupt keine Schwierigkeiten, auch wenn Ray auf dem Beifahrersitz gelegentlich zuckte. Rechts und links zum Teil spektaktuläre Blicke tief runter und weit über die Provence. Der letzte Teil steil und kurvig. Zum Glück war das Fahrrad-Event, das den Tag über den Berg belagert hatte, überwiegend vorbei, nur einzelne Radler kamen uns entgegen. Auch sonst kein Verkehr. Oben bauten sie die medizinische Notfallstation auf einem Tieflader gerade wieder zusammen – der Berg mit seinen 1911 Metern, 1500 Aufstieg von unten, ist eine beliebte Radfahrer-Quälstrecke, und auch der erste Dopingtote im Radsport fuhr sein letztes Rennen hier.

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So soll das sein.
Erster Parkversuch.
Erster Parkversuch.
Festhalten, damit es Dich nicht wegweht.
Festhalten, damit es Dich nicht wegweht.

Oben suchten wir uns kurz unterhalb der Kuppe den Parkplatz, den man in Womo-Foren schon mal als Übernachtungsplatzempfehlung liest. Entgegen unseren Erwartungen waren wir fast alleine hier oben (hätte uns evtl. schon zu denken geben können). Im Pösslchen fühlte es sich in etwa so an, als wenn man im Flugzeug durch heftige Turbulenzen fliegt. Aber die Aussicht! Der Sonnenuntergang! Der Sonnenaufgang … ! Aber wir werden kein Auge zutun! Och menno, schade. Versuchen wir es eine Etage tiefer, wo wir zwei oder drei Camper-Fahrzeuge stehen gesehen haben.

Zweiter Parkversuch.
Zweiter Parkversuch. Das da hinten ist kein Womo, sondern der Transporter für die Chemieklos.

Der Blick geht Richtung Sonnenuntergang, und wir entscheiden uns, hierzubleiben, die Nase in den Wind, es scheint etwas ruhiger zu sein. Abendessen (die anderen Fahrzeuge verziehen sich nach und nach), und danach muß ich unbedingt noch mal raus. Die pfuschneue winddichte Softshelljacke über den Hoodie gezogen, zwei Kapuzen festgezurrt, Wanderschuhe an, nur die kleine Tasche statt Rucksack mit Extra-Objektiven eingepackt, und los. Handy dabei, damit Ray mich retten kann, wenn ich wegfliege. Wunderbares Abendlicht auf Pösslchen und den Gipfel. Da oben gibt es noch eine Kapelle, die will ich noch im Licht sehen. Ein schräger Pfad führt am Hang entlang maximal, naja, 300 Meter nach oben. Das sind seit langem die interessantesten 300 Meter, die ich gelaufen bin – der Sturm drückt von schräg vorne, Fotos erst mal alle verwackelt, weil es einfach so ruckelt und man die Hände nicht stillhalten kann. Ich mache mich klein und drücke mich an den Hang, trotzdem. Alles wackelt. Oben dann an der Kapelle kurz windgeschützt stehen und den Sonnenuntergang sehen; früher als erwartet – es ist Mittsommernacht! – versinkt die Sonne gegen 21:30 Uhr im Wolkendunst. Trotzdem.

Mont Ventoux, 15 Minuten – im Gegenwind realistisch …
Mont Ventoux, 15 Minuten – im Gegenwind realistisch …
Die Kapelle
Die Kapelle Sainte Croix
Bei Sonnenuntergang
Bei Sonnenuntergang

Langsam und vorsichtig wieder runter, es ist wirklich egal, aus welcher Richtung der Wind kommt, einfacher wird es nicht. Pösslchen und Ray warten geduldig und nehmen mich wieder auf, obwohl ich ziemlich zerzaust bin. In der Zwischenzeit hat anscheinend auch der Wind auf Pösslchen wieder leicht gedreht, oder zugenommen, das Flugzeugturbulenzen-Gefühl ist wieder da. Diesmal bin ich es, die sagt: sollen wir nicht lieber ein Stück runterfahren? Wir nicken beide … und Ray läßt Pösslchen vorsichtig und bremsenschonend im zweiten Gang auf den Parkplatz „Les Prés de Michel“ auf 1144 Metern runter. Ganz dunkel ist es ja noch nicht, und wir sind auch wirklich völlig allein am Berg. Hier rauschen nur die Pinienwälder, aber Pösslchen steht ruhig mit viel Platz drumherum. Wir schlafen, bis uns die Morgensonne mit strahlender Helligkeit weckt.

Dritter Versuch – hier sind wir geblieben.
Dritter Versuch – hier sind wir geblieben.
Schon früh um sieben waren sie wieder unterwegs auf 1100 Meter …
Schon früh um sieben waren sie wieder unterwegs auf 1100 Meter …

Nur wenige Kilometer trennten uns dann von Fontaine-de-Vaucluse, unserem Basislager für diese Woche. Um von dem „wir-können-jeden-Tag-woanders-hin-also-machen-wir-das-auch“-Streß wegzukommen, haben wir in meinem alten Traumort auf dem Campingplatz per Telefon einen schönen Platz am Fluß reserviert. Das hat sich gelohnt, aber davon beim nächsten Mal.

PS: ein Blick auf die Wetter-App zeigt uns, daß der Mistral durchaus nicht immer so ist hier oben, und daß 60-70 km/h Windgeschwindigkeit (huch? ja, das stand da auch in der App …) in den nächsten Tagen abgelöst werden von 10-15 km/h. Mal sehen, was uns auf der Rückfahrt so reitet.

3 Kommentare

  1. hi ihr beiden. Hab mal auf die Karte geschaut. Wußte gar nicht, dass das so weit südlich ist. Ihr seid ja schon bald in Marseille.
    Dann wünsch ich euch noch schöne sturmfreie Tage da unten. Ich komm immer mal vorbei um deine Berichte zu lesen.
    Ich lieg immer noch platt mit Erkältung und hoffe bis zum Urlaub wieder auf den Beinen zu sein.
    Bis bald
    Jo

  2. Danke fürs Mitnehmen. Es sind bereits 10 Jahre her, dass ich mal auf dem Mont Ventoux war. Ich gehörte damals auch zu denen, die sich mit dem Rad raufquälten. Oben: null Sicht, dicker Nebel. Der Mistral in der Provence kann einem ganz schön auf den Geist gehen. Wir hatten diesen Frühling auch wieder 3 Tage Vollwind.
    Viel Spass dort unten!
    Bea

  3. Liebe Bea, einen Vorteil hat der Mistral: die Mücken werden weggeweht ;-) Unsere zwei Wochen sind schon wieder fast vorbei, hier glüht der Boden und wir genießen die Sonne. Auf dem Rückweg werden wir uns den Ventoux aber wohl doch sparen, ein anderes Mal wieder.

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