Ein Adventswochenende ohne Glühwein, aber mit Beuys

Schloss Moyland am Abend
Schloss Moyland am Abend

Zwei Adventswochenenden sind schon rum, das vierte wird im Zeichen von Heiligabend-Vorbereitungen stehen, bleibt also das dritte ganz alleine für uns und Pösslchen. Seit längerem bereits wollen wir mal nach Schloss Moyland am Niederrhein, wo der Womo-Stellplatz praktisch direkt am Schloss liegen soll, privat geführt, ziemlich groß und für allerlei Womotreffen geeignet. Wie der Zufall es will, sendet der WDR vor ein paar Tagen noch über die „schönsten Weihnachtsmärkte in NRW“ und schon wieder ist Moyland dabei. Also nicht nur Schloss mit Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, Skulpturengarten, schöner Stellplatz, sondern auch noch ein romantischer Weihnachtsmarkt. Nichts wie hin!

Eigentlich sollte es Freitagabends zeitig losgehen, wir hatten diesmal sogar per Kontaktformular reserviert (!), weil wir sicher nicht die einzigen sind, die auf den Weihnachtsmarkt … Sollen wir noch Brötchen holen oder gilt die Winterpause beim Brötchenservice auch dieses Wochenende? Rufen wir doch einfach mal durch. Der rührige Pächter Horst Verhoeven zieht uns gleich diverse Zähne: Nein, kein Brötchenservice, eigentlich hätte er derzeit eh nicht die Oberhoheit über den Stellplatz, wegen Parkplatz Weihnachtsmarkt und so … ups. Er hatte aber den grandiosen Tipp für uns, deutlich später loszufahren, weil der Platz voll von PKWs sei und erst so gegen 22 Uhr leer sein würde. Aber den Strom hätte er nicht abgestellt. Fein! Lange Rede kurzer Sinn: der Mann weiß natürlich, wovon er spricht. Wir hatte keine Ahnung, wie frequentiert dieser Markt sein würde.

Nachts ist der große Platz leer und still, nur zwei oder drei weitere Womos gesellen sich dazu, eins gehört einem der Aussteller, der morgens eingemummelt zu seiner Verkaufsbude stapft. VE läuft und ist für Ticketinhaber (7 Euro) kostenlos, Strom 3 Euro für 24 Stunden, WLAN stabil. Es gibt gemütlichere Stellplätze, aber von der Infrastruktur gibt es nichts zu meckern.

Schon deutlich vor 11 Uhr füllt sich der Parkplatz und die PKWs kuscheln sich um uns herum. Man kommt nicht umhin, die personelle und logistische Meisterleistung der Gemeinde zu bewundern, die mit Jugendfeuerwehr als Einweiser und sämtlichen verfügbaren Bürgerinnen und Bürgern den Ansturm professionell bewältigt. Fünf Euro Eintritt pro Tag, und darin sind kostenloses Parken, Shuttlebusse nach Kalkar und Kleve, Toilettenbenutzung im Markt, Musikprogramm und eine tolle Stimmung inklusive (von dem ganzen Post-Duisburg-Sicherheitstrara bei Massenveranstaltungen etc. pp. wollen wir gar nicht erst anfangen). Und am Sonntagmorgen streuen sie noch mal Kies über den Parkplatz, damit es nicht allzu schlammig wird. Respekt.

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Ich hab nicht nach dem Preis gefragt …

Pösslchen hat also seinen festen Platz und wir können am Samstag einen Dezember-Sonnenaufgang im Flachland genießen und frühzeitig unsere Tour über den Weihnachtsmarkt starten. Als bekennende Glühweinverächterin mit ziemlich niedrig hängender Kitschschwelle mußte ich mich sehr zurückhalten, nicht in den Kaufrausch zu kommen, und das will wirklich was heißen. Großartiges und ungewöhnliches Kunsthandwerk für jeden Geldbeutel in grandioser Kulisse. Es sei nur so viel verraten: wir haben ein feines, völlig kitschfreies Mitbringsel für Jo gefunden, uns selbst dies und das gegönnt und auch noch ein süßes Weihnachtsgeschenk für das allerjüngste Familienmitglied (nicht Pösslchen!) erworben. Und noch ein paar Kleinigkeiten hier und da … nun gut. Das Museum nimmt wegen des Markts nur 1,50 Euro Eintritt, aber das wollen wir uns für Sonntag aufheben.

Samstagnachmittag probieren wir noch den Shuttlebus nach Kalkar aus – ein schnuckliges kleines Städtchen, das sich trotz Kriegszerstörung den Charme seines historischen Ortskerns erhalten hat. Das sehr empfehlenswerte Stadtmuseum begrüßt uns im gotischen Giebelhaus mit einer Ausstellung zum Zweiten Weltkrieg in Kalkar, hat aber auch eine Sammlung von Gemälden aus der Düsseldorfer Malerschule. Für die Galerien mit Ausstellungen zeitgenössischer Künstler, die anscheinend sehr beeindruckende Nikolauskirche und den Ex-Beinahe-Schnellen-Brüter reicht leider die Zeit nicht mehr. Nummer 5342 auf der Liste der Orte, „wo wir noch mal hinmüssen“. Der Shuttlebus bringt uns zurück nach Moyland, das wir uns nun noch einmal mit abendlicher Illumination gönnen. Es war nicht so voll, wie wir erwartet hatten, womöglich auch dem etwas wackeligen Wetter zu verdanken. Romantisch!

Der Adventssonntag steht dann ganz im Zeichen der modernen Kunst. Heute wird es im Schlosspark deutlich voller als gestern, es ist der letzte Markttag und der Himmel bläut angestrengt vor sich hin. Aber im Schloss selbst verteilt sich das Publikum auf die vier Etagen, und wir haben viel Muße, uns mit der Sammlung zu beschäftigen – vor allem Joseph Beuys, dessen 30. Todestag im Januar bevorsteht. Die Architektur bietet großartige Möglichkeiten, die Stücke zu inszenieren. Man geht durch Gänge, in Nischen, durch einen schmalen Tunnel steht man plötzlich in einem runden Turmzimmer, in dem exakt eine einzelne Skulptur ihren Platz hat. Wir lernen, was die „Moyländer Hängung“ ist, und daß man als Bauernsöhne mit kleiner Geldbörse in der Nachkriegszeit eine international bedeutsame Kunstsammlung aufbauen konnte …

Pünktlich zu unserem Besuch heute startet Schloss Moyland die Aktion #beuysheute auf den Social-Media-Kanälen, die den 30. Todestag vorbereiten soll –  mit der Auftaktfrage an die Communities: „An was denkst du, wenn du an Beuys denkst?“ Ein paar Beispiele finden sich bereits auf Facebook und Twitter.  Ray jedenfalls suchte die Decken nach der Fettecke ab,  die natürlich nicht in Moyland klebte und inzwischen wohl in Düsseldorf zu einem Fläschchen Schnaps  destilliert ist (prost). Meine Assoziation ging eher in diese Fett-Filz-Krimtataren-Geschichte aus Beuys’ Zeit als Soldat (zu der ich mir aber auch grad erst mal ein Update auf Wikipedia geholt habe).

Den Abschluß bildete der Aufstieg auf den Nordturm des Schlosses, der uns noch einen winterlichen Blick über den Park und den Niederrhein bot – da knubbelte sich das Publikum noch am meisten.

Meine Güte, das waren doch nur zwei der kürzesten Tage des Jahres? Fühlte sich mal wieder wie Urlaub an, trotz Sonnenuntergang um 16:24 Uhr. Was hab ich letztens irgendwo gelesen? Der erste von vier dunklen Monaten ist schon geschafft. Jetzt sind’s schon anderthalb. In 11 Tagen wird’s wieder heller!

4 Kommentare

  1. Liebe Elke,
    was für ein schöner Bericht. Toll, mit so einem Womo ist man ja echt sehr flexibel. Ist es nicht herrlich da? Als ich zu Besuch war (zum Arbeiten), wurde der Weihnachtsmarkt gerade eröffnet und ich war ja dann auch in Wien. Aber nächstes Jahre kommt der auf meine Ausflugsliste. Unbedingt.
    Danke auch für die Erwähnung von #beuysheute, das ich voller Begeisterung mitbegleiten darf!
    Ja, die Sache mit dem Fotoverbot ist echt schade – aber ist wohl der schwierigen Rechtslage mit den Beuys-Erben geschuldet. Vielleicht wird das in den nächsten Jahren mal ein bisschen entspannter. Sonst müssten wir wohl bis ins Jahr 2056 warten :-(

    Ich freue mich, wenn wir uns mal wieder begegnen und sende herzliche Grüße
    Anke

  2. Oh welch hoher Besuch auf unserem bescheidenen kleinen Reiseblog! Du paßt aber ganz schön auf Deinen Hashtag auf ;-) – ja, mit den Erben, das sahen wir im Filmzimmer des Museums, wo der Infozettel ja Bände sprach. Wäre so cool gewesen, ein paar der Beuys-Aktionen auch auf Leinwand zu sehen.

  3. am 21.12. ist der kürzeste Tag. Danach werden die Tage wieder länger…gottseidank
    Auf das kitschfreie Souvenier bin ich jetzt schon echt neugierig.
    (es ist hoffentlich kein Feuerlöscher ;-)

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