Frühlingstour über Silvester nach Frankreich

Tag 1-2: Köln – Charleville-Mézières – Reims

Encore un Winter in Frankreich
Encore un Winter in Frankreich

Jaja, Ihr wißt ja schon. Klimawandel, El Niño, ich schwanke permanent zwischen diesem von „das kann alles nicht richtig sein so“ und dem angenehmen Gefühl von 14° C auf der Haut bei Spaziergängen mit offener Jacke und ohne Mütze. Letztes Jahr um die Zeit hatte Pösslchen Eiszapfen an den Spiegeln, wir mußten durchheizen, mit Eimer unter dem Grauwassertank und 5 Tage ohne Dusche. Das einzige was bisher gleich ist, ist der phantastische blaue Fotohimmel und das gastfreundliche Nordwest-Frankreich.

Dieses Mal haben wir uns das fehlende Stück zwischen unserer Gothik-Ostertour, der letztjährigen Silvestertour Le Nord-Picardie und irgendwie auch der letzten Ardennentour ausgesucht: Von den Ardennen aus wollen wir die noch fehlende französische Gotik abklappern und mal schauen, was sonst noch am Wegesrand liegt.

Als erstes entspanntes Tagesziel, nur knapp 300 Kilometer von Köln entfernt, haben wir uns den Stellplatz in Charleville-Mézières ausgeguckt, der Hauptstadt der Ardennen. Schnuckliger kleiner Doppelort, in mehrere Maasschleifen platziert und der kostenlose Stellplatz mit Wasser-VE liegt einem (geschlossenen) Campingplatz vorgelagert an einem kleinen (leeren) Bootshafen mit ein paar Anglern und einem Schwanenpaar. Zu Fuß ist man in wenigen Minuten auf dem Place Ducale, dem zentralen Platz von Charleville. Wie letztes Jahr in Arras erwartet uns der Place mit einem Weihnachtsmarkt mit Riesenrad – wie sich die Bilder gleichen! Ansonsten ist das hier die Stadt des Kult-Dichters Arthur Rimbaud, man begegnet ihm auf Schritt und Tritt, sowie die „Welthauptstadt der Marionetten“. Was es nicht alles gibt …

Der Stellplatz hat 9 Parktaschen, die beinahe gefüllt waren, als wir ankamen. Zwei Hundewomos, und ein Womo mit einer kleinen Siamkatze („Ça va bien dans le camping-car?“ – „Oui!“), die sich bei ihrem Morgenspaziergang vor allem vor den Schwänen fürchtete und ihrer Dosenöffnerin die Schulter zerkratzte. Sehr nett morgens ein französischer Nachbar, der mit seiner kaputten 40-Ampère-Sicherung winkte und uns um Hilfe bat. Da war er doch bei uns genau richtig. Seit wir die fünf fetten Ersatzsicherungen zu 40 Ampère (statt 30, natürlich nach Rücksprache mit Fachmann) im Pösslchen haben, gab es keine Probleme mehr mir dem Strom. Da hilft man doch gerne dem Herrn Nachbarn aus. Mit vollem Wassertank ging’s anschließend in Richtung Reims.

Woinic auf Pösslchen
Die Strecke nach Reims hätte Pösslchen natürlich auf einer Pobacke abgeritten, aber wir hatten noch etwas Zusatzladung für ihn.

Erwähnte ich, daß das Wildschwein so was wie das Wappentier der Ardennen ist? Ja klar, Ihr kennt ja sicher Ardennenschinken… Das große Vieh warf schon von der Autobahn seinen Schatten voraus, 11 Jahre hat der Meister geschweißt (hallo Jo!), und jetzt steht er da, der größte Keiler der Welt. Woinic heißt er übrigens.

Rückseite Woinic
Das Licht fiel halt grad von der Seite, ich weiß nicht was Ihr wollt.
Größter Wildschweinschatten der Welt.
Größter Wildschweinschatten der Welt.

Vor Reims hielten wir um die Mittagszeit noch in dem malerischen kleinen Ort Rethel, Partnerstadt von Bitburg in der Eifel. Angeblich beginnt hier die „Grüne Straße Eifel-Ardennen“, aber davon haben wir nichts bemerkt. Dafür ein Fotolicht zum Niederknien.

Aber jetzt dann doch nach Reims, das uns ebenfalls noch mit dem letzten Tag des Weihnachtsmarktes empfängt. In der Nähe  der Comédie, einem Bau der Moderne aus den 60er-Jahren liegt ein einfacher, kostenloser Stellplatz mit Parktaschen, etwas abseits und sichtgeschützt, aber nahe der Stadtautobahn*. Dafür ist man in wenigen Minuten schon über die Brücke auf der Rue de Vesle, über die man gemütlich ins Altstadtzentrum spazieren kann. Der Platz hinter der Brücke heißt übrigens „Place du Stalingrad“ und erinnert ein wenig an die Bauhaus-Ecken in Tel Aviv.

Le Stalingrad. Ja, wirklich nach der Schlacht benannt.
„Le Stalingrad“. Ja, wirklich nach der Schlacht benannt.

Reims: wunderbar. Ruhig trotz Weihnachtsmarkt, angenehme Stimmung irgendwie färbt dieses frühlingshafte Wetter auf alle ab. Selbst die Militärs mit ihren MPs (wir erinnern uns: immer noch Ausnahmezustand in Frankreich) und die Voll-Betonstein-Absperrungen, die die Veranstaltungen neben den normalen Gitterabsperrungen schützen, wirken entspannt, sogar als Ray beinahe einen über den Haufen rennt (nicht den Betonstein).

Die Kathedrale: Weltkulturerbe, empfängt uns natürlich mit fettem Gerüst vor der zentralen Westseite. Seufz. Aber immerhin wird was gemacht, was ja für französische Kirchen und Kathedralen nicht selbstverständlich ist.  Die monumentalen ebenso wie die filigranen Skulpturen am Außenbau sind zum Teil sehr gut restauriert, zum Teil noch erstaunlich detailliert erhalten. Aber es fehlt natürlich dennoch so einiges. Innen: großartige Gotik. Hochaltar direkt am Kreuzungspunkt von Lang- und Querschiff, Chorumgang ähnlich wie in Köln, aber nicht so zugebaut, so daß man großartige Blicke in den Obergaden und in die Gewölbe hatte. Und was soll ich sagen: Chagallfenster in der Achskapelle! Insgesamt sehr dunkel, wenig Licht, schwer zu fotografieren. Morgen noch mal rein, vielleicht eine Führung. Hier bleiben wir erst einmal die auf dem Stellplatz erlaubten 48 Stunden.

Kathedralenturm
Kathedralenturm
Engel am Eingangsportal
Engel am Eingangsportal
Fußstütze für einen Engel, schon etwas müde.
Fußstütze für einen Engel, schon etwas müde.
…
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Eines der „kleineren“ Fenster an der Westseite, die Rosette ist ja dicht.
Eines der „kleineren“ Fenster an der Westseite, die Rosette ist ja dicht.
…

Nach diesen ersten Impressionen gönnten wir uns noch einen Glühwein auf dem langgestreckten Place Drouet d’Erlon, der zum Bahnhof führt und voller interessanter Ausgehlokalitäten ist, die man noch mal unter die Lupe nehmen muß. Morgen ist ja auch noch ein Tag …

Fluffig.
Fluffig.
Hemingway ist nur eins davon.
Hemingway ist nur eins der interessanten Lokale. Schauen wir uns morgen noch mal genauer an. Von den Champagner-Kellern, die hier an jeder Ecke rumstehen, haben wir ja auch noch gar nicht angefangen  …

*) Theoretisch benötigt man einen Code für den Schlagbaum, den man nebenan oder in der Tourist-Info bekommt, aber das sehen sie hier wohl nicht so eng.

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