Wieder einen grünen Flecken auf der Landkarte rausgesucht, der sich für ein langes Wochenende eignen könnte. Nur rund 250 Kilometer von Köln entfernt, entlang der Standardroute nach Paris kurz vor Valenciennes liegt der Regionale Naturpark Avesnois, den wir am Vorabend des langen Fronleichnam-Wochenendes ansteuern. Es hat sich für Team Pösslchen schon eingebürgert, auf dieser Strecke abends das gut erreichbare belgische Huy mit seinem romantischen Uferstellplatz an der Maas anzusteuern. Da wir diesmal im Hellen anreisen, können wir auch mit eigenen Augen die neueste Erkenntnis über Huy sehen, die uns mangels Tageslicht und genauem Hinschauen bisher völlig entgangen war: Ein Vorort von Huy ist Tihange mit seinem „leicht umstrittenen“ Kernkraftwerk. Wie wir die drei großen Kühltürme im Tal unmittelbar vor Huy übersehen konnten, ist mir ein Rätsel. Nun ja. Der Stellplatz ist immer noch schnucklig und kostenlos.
Passend dazu ein Schrecken am Abend: völlig leergezogene Wohnraumbatterien, so dass nicht mal das Truma Check Panel aufblitzte, kein Licht, keine Pumpe, nicht mal der Gaskühlschrank zündete. Bei 29°C im Schatten … Ray wurde leicht nervös und der Abend war gelaufen. Wann habe ich das letzte Mal mit Taschenlampe im Bett gelesen? Trotz der Unruhe schliefen wir erstaunlich lange, so dass erst die Sommerhitze uns wieder weckte. Der Plan war, die nächstliegende Steckdose anzufahren, um die grundsätzliche Ladewilligkeit unserer Batterien auszutesten – ohne hätten wir gleich den Heimweg antreten können. Die nächste Steckdose lag noch weiter auf der Strecke bei Charleroi, war aber grad in der heiligen belgisch-französischen Mittagspause, so dass wir einfach über die grüne Grenze ins Zielgebiet runterrollten: Ein Campingplatz am Lac de ValJoly bei Eppe-Sauvage.
Camping in Zeiten des Vigipirate
Es ist Donnerstag, in Frankreich kein Feiertag, und hier liegt ein fast leeres Sport- und Ferienzentrum am Stausee Val Joly. Der Campingplatz liegt etwas oberhalb und wir haben zunächst den Eindruck, fast die einzigen Gäste zu sein. Eine Handvoll Reisemobile verteilen sich über den großen, schön angelegten Platz. Jeweils vier Rasenplätze sind von einer Hecke und hohen Bäumen umgeben, wir haben unsere Parzelle und die benachbarten alle für uns. Ein Teil des Platzes ist mit modernen „Chalets“ belegt, eine recht attraktive Variante der sonstigen Mobilhomes. Aires des Camping-Cars bzw. Wohnmobilstellplätze sind hier in der Gegend etwas mager gestreut, aber wir wollten eh erst mal an eine zuverlässige Steckdose. Über 16 Euro all inclusive kann man sich auch nicht beschweren. Picobello alles. (Und vorweg: ja, Pösslchen lud wieder fein auf und alles war gut. Keine Ahnung, was uns da den Saft rausgezogen hatte).
Die Ferienanlage unten am See – EU-Strukturfonds lässt grüßen – war vom allerfeinsten und hatte einiges zu bieten. Barrierefrei, modern, schön offen, Kanu, Tretboote, Schwimmbad, diverse Animationsangebote wie Trampolin, Kreativworkshops und Lasertag, ein paar Shops und Gastronomie und sogar ein großes Auditorium für Events. Routen für Mountainbikes, auch Radstrecken oder Walking rund um den See, leider kein Schwimmen im See erlaubt. Und insgesamt auch für uns beide und Pösslchen nicht so ganz das Richtige – für Familien oder Gruppen aber mit Sicherheit eine attraktive Ferien-Anlage.
Beim ersten Spaziergang über den Campingplatz fielen dann doch die militärischen Jeeps und Mannschaftsfahrzeuge auf, die am Rand geparkt waren, und siehe da: es stellte sich heraus, dass wir doch nicht so alleine auf dem Platz waren. Die Chalets und das zweite Sanitärhaus waren militärisch „besetzt“, und die Jungs und Mädels absolvierten abends ihr Sportprogramm rund um den Platz. Ob sie eher zur Grenzsicherung, zur Sicherung der Ferienanlage oder einfach als strategisch günstig positionierte Notfalleinsatztruppe da waren, ließ sich nicht rauskriegen – außerhalb von Paris war das jedenfalls die deutlichste Manifestation des Ausnahmezustands (Plan Vigipirate = Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz gegen Terrorismus), der im Frankreich immer noch herrscht.
MusVerre – ein Glasmuseum auf dem Land
Auf dem Weg zur nächsten Station im Wald von Mormal (Forêt de Mormal), wo wir wanderfähiges Terrain erhoffen, legen wir einen Stopp beim MusVerre in Sars-Poteries ein: ein 2015 runderneuertes Glasmuseum mit einer spannenden Sammlung. Einerseits hat der Ort eine lange Glasmachertradition. Aus dieser ergibt sich eine recht spannende Sammlung von so genannten „bousillés“, Nebenprodukten der eigentlichen Glasmacherarbeit, die die Glasmacher in ihren Pausen für den Privatgebrauch oder zum Üben anfertigen durften. Auf Deutsch hat das sogar einen Namen und einen Wikipedia-Artikel, den wir – trotz generationenübergreifender Glaskünstleraffinität – noch nie gehört hatten: Schinderware.
Damit diese Fähigkeiten nicht in Vergessenheit geraten, begann man schon in der Nachkriegszeit mit einer Sammlung – dem Grundstein des Museums – und der Weitergabe des Handwerks an die jüngere Generation. Ein Symposium in den 80ern zog dann junge Glaskünstler aus aller Welt an, die den Grundstein für moderne Glaskunst in Sars-Poteries legten. Und so weiter und so fort, und 2016 schließlich wurde ein ganz neues Museum gebaut: wow. Kein großer Multimedia-Schnickschnack, sondern Zwiesprache von Glaskunst, Architektur und der umgebenden Landschaft. Du schaust das Glas an, und hinten durch die großen Fensterfronten siehst Du die Kühe weiden. Großartig.
Weiter geht es Richtung Mormal, wo wir uns den einzigen Campingplatz mitten im Wald ausgesucht haben. Aber davon später mehr.