Von Amiens zurück nach Arras und Lens an Neujahr

Wir kommen jetzt immer an Neujahr. So etwas Ruhiges und Parkplatzfreundliches findet man selten. Blauer Himmel natürlich immer noch, womit haben wir das verdient? Aber es wird wieder etwas kälter. Der morgendliche Spaziergang durch Amiens geht nicht ohne Mütze, und nach anderthalb Stunden reicht es dann auch. So langsam wollen wir zurück ins Bergbaugebiet um Lens und Arras, um die aufgehobenen Sehenswürdigkeiten noch bei gutem Wetter mitzunehmen.

Die Strecke von Amiens nach Arras bietet noch einige Überraschungen. Ein Ort namens Albert wird von einer riesigen Kirchenkonstruktion überragt. Das ist unser Platz fürs Mittagessen. Wir halten direkt vor der Kirche und kriegen den Mund nicht mehr zu. Wo sind wir denn hier gelandet? Riesig, Mosaike, maurische Rundbögen und Friese, eine monströs große goldene Madonna auf der Turmspitze …

Wir sind hier in einem Örtchen mit 10.000 Einwohnern.
Wir sind hier in einem Örtchen mit 10.000 Einwohnern.

Die Madonna ist fünf Meter hoch, das Jesuskind 1,85 m.
Die Madonna ist fünf Meter hoch, das Jesuskind 1,85 m.

Während Ray die Frontseite fotografiert, erfahre ich von einer Infotafel, daß sich der Stil „Neo-byzantinisch“ nennt und von 1885 stammt. Ein Architekt hat sich auf seinen Reisen das „was ihm am besten gefiel“, zusammengesucht und in einer Kirche vereint. Die Tür ist offen, und wir staunen innen nicht weniger als außen. Zentrum bildet eine Madonnenfigur am Altar, die man über ein Treppchen sogar direkt besuchen kann. Wir schalten immer noch nicht so recht, aber nachher erfahren wir es aus Wikipedia: Albert ist ein wichtiger Marienwallfahrtsort, daher die Größe der Kirche. Der Architekt war wohl hier aus der Picardie und hat ziemlich schräges Zeug geraucht.

Ich komme mir vor wie in Istanbul …
Ich komme mir vor wie in Istanbul …
… oder Usbekistan?
… oder Usbekistan? Aber ernsthaft: Der Wikipedia-Artikel berichtet, die Inspiration kam hauptsähclich von Moscheen, die der Architekt gesehen hat. Da hätte Ex-Kardinal Meisner seine Freude dran gehabt …
Innen und Außen paßgenau zusammen
Innen und Außen paßgenau zusammen
aber doch ein Hauch von Frankreich …
aber doch ein Hauch von Frankreich …

Unser Mittagessen nahmen wir vor dem Rathaus mit Befrois ein. So einen Parkplatz hätte Pösslchen jetzt gerne jeden Tag!

Das anarchische Parken konnten wir uns dann nicht verkneifen.
Das anarchische Parken konnten wir uns dann nicht verkneifen.

Danach führt die Straße schnurgerade bis Arras, und hier kommen wir schließlich und endlich nicht an dem vorbei, was wir beim Stichwort „Somme“ längst erwartet hatten: die Frontlinien von 1916, wo die Somme-Schlacht knapp eine Million Menschen das Leben gekostet hat, ohne daß sie für eine Seite ernsthaft etwas gebracht hätte, das dieses Opfer auch nur im Entferntesten gerechtfertigt hätte.  Über viele Kilometer hinweg alle paar hundert Meter ein mittelgroßer Friedhof am Straßenrand oder als sauber abgegrenztes Rechteck mitten im Feld. Mir kommt der Gedanke, jemand hat mit großer Hand auf dem Schlachtfeld aufgeräumt und die Toten ordentlich zu Rechtecken zusammengeschoben. Wir halten diesmal ausnahmsweise nicht an und wollen nur noch weg von hier.

Die Front.
1916 im Heute.

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