Der Karfreitag-Vormittag gehört noch Prag, dann wollen wir gemütlich nach Nordböhmen aufbrechen. Zum Pflichtprogramm für Prag-Anfänger gehört noch das jüdische Viertel, direkt neben der Altstadt. Leider hatte ich mal wieder völlig verdrängt, daß es natürlich für die Millionen anderen Touristen ebenso ein Highlight ist. Man merkt seit gestern Abend auch einen deutlichen Anstieg der Besuchergruppen – auch auf dem Campingplatz kuscheln sich vor allem deutsche Womos im vorderen Bereich aneinander (wieso eigentlich? Die Wiese ist so weitläufig!).




Das jüdische Viertel also. Wir kaufen das Kombiticket, mit dem wir für rund 10 Euro mehrere Gebäude und den alten jüdischen Friedhof besichtigen können. Es knubbelt sich, und man geht immer an der Absperrung entlang. Trotzdem ist der alte Friedhof aus dem 15. Jahrhundert, der die Gebeine von bis zu 100.000 Menschen beherbergen soll, sehenswert. Der Rest der Gebäude (Synagoge, Zeremoniensaal) war erstens etwas sehr altbacken-museal ausgestattet, zweitens jedoch dermaßen überfüllt, daß wir schnell das Weite suchten. Ein kleiner Rundgang um dem Block und das war’s für uns diesmal mit Prag. Auf nach Nordböhmen!
Ein Stück auf der Autobahn 8, danach Landstraße, und zur Mittagspause erklimmen wir den Hügel, auf dem Melnik liegt – hier fließt die Elbe in die Moldau. Pardon, natürlich umgekehrt, obwohl ich nicht recht verstehen mag, warum der offensichtlich mickrige Fluß, der hier in die Moldau einmündet, hier der namensgebende Hauptfluß wird. „Dresden an der Moldau“ – „Die Moldau mündet in die Nordsee“ klingt doch auch ganz nett.

Nach der Mittagspause in einem kleinen Bistro mit jungem, deutsch sprechenden Kellner kommt die ferne Bergkette immer näher, Pösslchen schlängelt sich Bäche entlang durch Täler und Hügel, bis es hinter Česká Lípa (Böhmisch Leipa) strack nach Nový Bor (Haida) geht, von wo es nur noch ein Katzensprung bis Kamenický Šenov (Steinschönau) ist, wo wir Pösslchen für ein oder zwei Nächte in der privaten Einfahrt eines leerstehenden Ferienhauses parken dürfen – nur haben wir bei dieser Ostertour und nach den letzten Tagen tatsächlich nicht damit gerechnet, hier an die 15 cm Schneedecke vorzufinden. Wir sind auf 560 Metern Höhe! Nach einigen Versuchen, die von „Klappspaten rausholen“ über „mit Schwung in die Einfahrt“ und „hinterm Haus gefundene Bretter in die Einfahrt legen“ reichten, gaben wir auf. Die Einfahrt war anscheinend hauptsächlich Rasen, den wir unserem freundlichen Gastgeber nicht so verwüsten wollten wie damals in Utrecht, und ich könnte hier zwar zur Not wohl ein paar Eingeborene aktivieren, aber ob die auch einen Trekker gehabt hätten, um uns da wieder rauszuziehen? Muß nicht sein. Wir machen das Törchen wieder vorsichtig zu, versuchen vergebens unsere Dreckspuren zu verwischen und machen uns vom Acker. Kein Nachbar hat auch nur gezuckt bei unserer Aktion, anscheinend sind die einiges gewohnt hier.

Also nehmen wir den ursprünglichen Tipp des Womo-Reiseführers an und fahren rüber zum Stellplatz am Herrnhausfelsen (Panská skála), der sogar ein Angebot für „Wohnmobile mit längerem Aufenthalt und Strom“ hat. Warum nicht gleich? OK, das mit dem Strom muß warten, da die Infobude schon geschlossen hat und man hier offenbar nicht so entspannt mit Steckdosen ist wie in Prag. Abgesehen davon zieht man zwar einen Parkschein, aber genausogut könnte man einfach um den Schlagbaum herum fahren, die PKWs machen das anscheinend alle hier, den Spuren im Schnee nach zu urteilen.


Eine gute Wahl – hier ist man drei Minuten von einem der ältesten Naturdenkmäler Böhmens entfernt und kann gemütlich warten, bis der Schneesturm aufhört und die Abendsonne wieder herauskommt, bevor man die Kamera wieder auspackt und durch den Schnee stapft. Oder der Vollmond …


Morgen: Ein morbider Karsamstag