Mit dem Wohnmobil durch Rumänien, (irgendwann am Wochenende): Sebeș – Alba Iulia – Turda-Schlucht
Nach dem luxuriösen niederländischen Campingplatz in Gărbova waren wir bereit für etwas mehr Natur. Auf der Strecke nach Turda liegen jedoch noch Sebeș (deutsch Mühlbach) sowie die unbedingte Empfehlung der Archäologen in Sarmizegetusa, die Vauban-Festung in Alba Iulia (deutsch Karlsburg). Sebeș ein allerliebstes Siebenbürger Städtchen mit deutscher Schule (in die die Rumänen ihre Kinder schicken) und uralter evangelischer Stadtpfarrkirche (die immerhin 187 Gemeindemitglieder hat). Man fühlte sich samt kluger gestickter Sprüche auf dem Handtuch glatt in Omas Zeiten versetzt, wäre nicht der Fotograf mit der Drohne über dem Kirchplatz gewesen, die Hochzeitsgesellschaft winkt fröhlich nach oben …
Alba Iulia dagegen ganz anders: Das Zentrum bildet eine tip-top-sanierte (EU war hier!) Festungsanlage, in der jedoch kein echtes Leben stattfindet – neben den repräsentativen Bauten gibt es nur allerlei Touri-Bespaßungen, E-Roller, mobile Espresso- und Saftstände. Märkte, Geschäfte, Menschen – alles außerhalb im postsozialistischen Teil. Allerdings gibt es feine Jugenstil-Villen gleich außen vor den Wallmauern, davon würde ich auch schon gerne eine nehmen. Die eine oder andere stünde auch noch zur Sanierung an.
Das war genug Kultur für heute, wir ziehen weiter. Die Strecke nach Turda hoch (also die Hauptstrecke nach Cluj-Napoca) zeigt Samtags nachmittags deutlich, wie dringend nötig die parallel entstehende Autobahn ist. Die Baustelle zieht sich die ganzen gut 80 Kilometer an der Landstraße entlang, sehr beeindruckend. Ich schätze, nächstes Jahr ist alles fertig. Die alte Landstraße ist voll und anstrengend, aber auch irgendwann geschafft. Wir wollen am Eingang der Turda-Schlucht übernachten und morgen endlich mal eine kleine Wanderung machen. Im WOMO-Reiseführer heißt es leicht einschüchternd: „Wenn Sie sich nicht trauen, die Schotterpiste abwärts zu nehmen … mit behutsamem Gas- und Bremsfuß und einer angemessenen Motorisierung (Pösslchen: Ha!) schaffen Sie aber auch die Fahrt nach unten und, noch wichtiger, auch wieder nach oben.“ Wir wappneten uns also und hatten Plan B so halb in der Schublade, falls der Schisser in Pösslchen rauskommen sollte. Aber Überraschung: ein frisch geteerter Weg führt nach unten! Hier hat die EU also den WOMO-Führer überholt. Folge dieser angenehmen Überraschung – vor allem an einem sonnigen Wochenende, das wir hier erwischt hatten – ist natürlich ein völlig überlaufener Parkplatz und auch ziemlich viele Menschen, die hier am Fluß zelten und mit der Familie campieren. Wir erwischen noch einen schönen Platz am Bach unten, aber es gibt schon auch reichlich akustische Beschallung im Laufe des Tages, und man kommt gut in Kontakt mit den rumänischen Nachbarn. Trotz der großzügig aufgestellten Müllcontainer, die tatsächlich genutzt werden, sammel ich erst mal in unserem Einzugsgebiet eine Tüte voll Plastik ein. Ja, man muß irgendwie tolerant sein und den deutschen mülltrennenden Klugscheißer soll man auch zuhause lassen, aber das kann und werde ich nie akzeptieren. Da schwirrt Dir die schönste Natur vor den Füßen – Libellen, Frösche, diverse Fischlein im Fluß, sogar Wasserschlangen (davon später mehr), aber Du schmeißt die Kronkorken nach dem Öffnen des Biers gleich mal in die Büsche und die Plastikflasche gleich hinterher. Das ist der Preis für die geteerte Straße: wo der Mensch noch irgendwie komfortabel hinkommt, ist es entweder maximal reguliert (wie etwa in England) oder verdreckt (wie hier). Dafür kann man hier Feuer machen und einfach so übernachten. Mal sehen, wie lange noch (und ja, mir ist klar, daß wir ein Teil dieser zerstörerischen „Zivilisation“ sind).
Interessant dann auch der dritte Mensch, mit dem wir mehr als ein paar Sätze ins Gespräch kommen und der uns ein Bier spendiert – von allen bekommen wir zu hören, wie scheiße es in Rumänien ist. Deutschland ist toll, Rumänien ist doof. Leider reichten bisher die Sprachkenntnisse oft nicht, um das genauer erläutern zu lassen. Wir jedenfalls sehen hier eine Menge Dinge, die wir nicht erwartet hätten, und wenn man den Fortschritt, der hier in kurzer Zeit erreicht worden ist, mit dem eines Nicht-EU-Landes vergleicht (etwa der Ukraine), kommt man schon ins Grübeln (Beim Plastikmüll tun sie sich beide nichts). Aber es ist definitiv zu früh, um sich eine abschließende Meinung zu bilden (sowieso ist es ja meistens komplizierter).
Gegen Abend wird es natürlich dann ruhiger und das Plätschern des Baches überwiegt den Tageslärm. Wir fangen an, uns richtig zu erholen. Ich latsche mit Badeanzug, Makro und Einbeinstativ durch den Bach und versuche Libellen einzufangen, erwische dabei ein Seeungeheuer, das sich mit einem Fisch abmüht:
Später: Sternenhimmel, Grillenzirpen, keine Mücken. Trotz des Gegrummels eben ein Genuß. Gute Nacht!