Weltkulturerbe Nancy und Woëvre-Einsamkeit

Zwei ganz verschiedene Tage liegen hinter uns, bevor wir jetzt schon wieder in Heimatnähe unsere letzte Nacht verbringen. Vom Stellplatz an Schleuse 14 geht es halb durch Regen, halb durch Sonne Richtung Nancy, wo der Wohnmobil-Stellplatz – wie sollte es anders sein –  wieder am Bootshafen, allerdings sehr zentral in Fußweite des Place Stanislas und weiterer Sehenswürdigkeiten liegt. Hier ist es nicht grade leise, und es ist der einzige Platz in fünf Tagen, der überhaupt Geld kostet – nicht zu knapp mit 16 Euro, aber dafür mit Toilette, Dusche (gegen Marke), Stromflat und deutschsprachiger Begrüßung in der Capitainerie. Ich würde sagen, das passt. Trotz der vorbeiführenden Straße ist es friedlich und irgendwie angenehm.

Wohnmobilstellplatz Nancy
Wohnmobilstellplatz Nancy

Nancy empfängt uns zunächst mit wolkenbedecktem Himmel und Kälte – dennoch haute uns der Place Stanislas erst mal echt um: ein riesiger, komplett von palastartiger Architektur umbauter Platz, ein vollständig erhaltenes Ensemble, und, was wir nicht wußten: Weltkulturerbe. Wow. Wir drehen uns einmal um den Namensgeber Stanislaus I. Leszczyński, einen polnischen Adligen und zweimal kurzzeitig auch König von Polen-Litauen … Moment mal. Polnischer Adel, was macht der hier in Lothringen? Aaalso, eigentlich war er ja vor August dem Starken geflohen und hatte Asyl im Elsass erhalten. Allerdings hatte er zwei Töchter, von denen eine – Maria – die passenden Parameter für eine Heirat mit dem jungen französischen Ludwig XV. aufwies. Mit so einem Schwiegersohn fällt schon mal so ein kleines Herzogtum wie Lothringen ab (und da war noch was mit einem Tausch gegen die Toskana, aber das führt jetzt hier zu weit). Der Herr Stanislaus scheint aber nachhaltigen Eindruck hinterlassen zu haben, so einen Platz mit Weltkulturerbestatus bekommt schließlich auch nicht jeder … (wobei er selbst die Idee für den Platz hatte, sein Denkmal und die Benennung kam erst nach der Revolution dazu).

Wohnmobil Lothringen Nancy
Nur ein Viertel des Place Stanislas

Der bedeckte Himmel treibt uns zunächst ins Musée des Beaux-Arts, dessen Front einer der Paläste ist. Hinter dem klassizistischen Bau verstecken sich jedoch noch zwei weitere Gebäudekomplexe aus verschiedenen Epochen: einmal ein Anbau aus den 30er Jahren, und dahinter noch ein moderner Komplex. Man bemerkt das zunächst überhaupt nicht, geht fast unmerklich von einer Bauepoche in die nächste über … schon spannend. Im Keller kommt eine vierte Epoche dazu, bei der letzten Sanierung hat man nämlich auch noch Befestigungsmauern aus dem 15. Jahrhundert freigelegt.

Einige Blicke nach draußen trieben uns – trotz der exzellenten Ausstellung mit Gemälden aus mehreren Epochen (Impressionismus etwas wenig) und eine wunderbare Sammlung von Daum-Glas im Keller–  zum Schluß doch wieder raus, der königliche Platz vor der Tür hatte sich nämlich nach dem Regen feingemacht und der Himmel bläute. Die goldenen Armaturen blitzten vor sich hin, man wußte gar nicht, wo man zuerst hinschauen sollte. Aufgrund der frühen Jahreszeit war das Ganze auch erstaunlich wenig gefüllt, tolle Blickachsen über den riesigen Platz. Klasse.

Ostermontag wollten wir dann noch mal richtig in die ruhige Natur, und es gelang mit einem sehr spannenden Übernachtungsplatz in der „Woëvre“ (deutsch: Waberland). Ein mittelgroßer Étang, ein kleines Dorf, und ein altes Anwesen, das multi-landwirtschaftlich von einer Behindertenorganisation geführt wird. Von Hühnern, Schafen, Kaninchen, Fischteichen, einer gediegenen Auberge und einem kleinen Laden mit Produkten aus eigener Produktion (Schinken, Fisch, Mirabellenschnaps, Eier, Honig …) bis hin zu den Öko-Infotafeln am Seeufer, Vogelbeobachtungsstation und – tusch – einem prima geschotterten Stück für drei Womos direkt am Ufer. Die lautesten Geräusche hier sind die Blesshühner und ein leichter Wind. Madame, und wir zahlen bei Ihnen?  – payer? nooo …!? also auch noch kostenlos. Irgendwo gab’s noch eine Toilette, ansonsten keine Infrastruktur, aber definitiv ein Geheimtipp. Die Natur ließ noch etwas auf sich warten, die Wanderwege fast knöcheltief verschlammt, so daß eine Seeumrundung schnell scheiterte (Ray hatte gut zu tun heute morgen mit dem Entschlammen unserer Wanderstiefel). Allerdings ist das alles sehr vielversprechend für Naturbeobachtung und Makrofotografie in sommerlicheren Monaten (Merkzettel Nr. 6528 der Orte, an die wir zurückkommen).

Wohnmobil Lothringen Natur
Morgendlicher Blick auf den See

Tja, und das war’s schon wieder fast von unserer Ostertour. Auf der Rückfahrt noch ein kleiner Stopp in Thionville und natürlich obligatorisch im luxemburgischen Wasserbillig, dem Wallfahrtsort aller Womofahrer mit leerem Tank, und jetzt auf der Pole Position für die Heimfahrt morgen früh in dem – an einem Dienstag! –  komplett überfüllten Wohnmobil-Stellplatz in Bad Münstereifel. Aber hier sieht man es nicht so eng mit dem Kuscheln … 

P.S.: Fast vergessen – ohne kunstvolle Patisserie keine Frankreichtour! (Diesmal hat sie den Transport sogar überlebt)

Wohnmobil Lothringen Ostern
Voilà!

 

 

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