Tag 7–9 oder so: Immer noch Dordogne …
Wir können uns nicht trennen, die Dordogne und wir. In Neuvic überstehen wir ein paar Regentage, bevor wir mit einigen Zwischenstopps weiter flussabwärts reisen, es bleibt etwas kühler und manchmal muss man aufs Fotolicht warten. Historische Brücken und Tunnel, Kirchen und Kapellen in malerischen Dörfern, große Talsperren-Anlagen – man würde am liebsten überall anhalten und die Gegend erkunden. Schließlich suchen wir uns um die Mittagszeit in einer der einsamsten Gegenden „Le Tacot“ aus, wie die Einheimischen die Bahnlinie Transcorrézien liebevoll nannten. Wir wandern ein Stück entlang der alten Bahnstrecke und zwar eins der spektakulärsten Stücke, wo die Tramway einen ordentlichen Höhenunterschied bewältigte und über ein Viadukt den Fluss Luzège querte. Dieses historische Viadukt – seit 2001 unter Denkmalschutz – war unser Ziel. Wir warten den letzten Mittagsregen ab und laufen los – frische, feuchte Luft, ein saftig-grüner Wald.
Der eigentliche Wanderweg ist komplett asphaltiert (also keine Schwellen und Schienen mehr sichtbar), aber die bahntaugliche Steigung von 3-4‰ auch bergauf sehr bequem gehbar. Wie inzwischen gewöhnt, geht es seitlich oft steil hinunter bzw. hinauf, große Felsen, durch die die Strecke gesprengt wurde, sind dick bemoost, fette rote Schnecken schleichen nebenher. Von einigen Punkten gibt es bereits eine wunderbare Sicht auf das Bauwerk, leider etwas diesig heute und schlechtes Licht, so dass die Eisenbahnbrücke etwas im Wald absäuft. Alle paar hundert Meter informieren sehr hochwertig erstellte Tafeln über die Geschichte der Strecke. Ein lokaler Förderverein kümmert sich offenbar sehr liebevoll um die Wege und historischen Objekte am Wegesrand, kleinere Untertunnelungen, die quer zur Bahnlinie den Hang hinunterführen, werden freigehalten, eine Zisterne vor dem letzten Tunnel – zum Wassertanken, bevor es den Berg hinaufgeht und vieles mehr. Mitten im Berg: ein zauberhafter Obstgarten, gehegt und gepflegt, wo der Bauer Firmin den mit maximal 15 km/h vorbeifahrenden Zugreisenden seine köstlichen Kirschen verkauft haben soll. Die Fahrt hätte ich auch gerne mal mitgemacht … aber 1960 war es schon vorbei damit. Die Einwohnerinnen und Einwohner der Corrèze trauern dem Zug wohl zum Teil immer noch nach – immerhin erschloss er seit 1913 die abgelegene Region für die Region und ermöglichte ganz neue Perspektiven für Wirtschaft und Bildung.
Rätselten wir anfangs noch, wir wir über den letzten Hügel zu dem doch noch recht entfernten Brückenbauwerk gelangen sollten, war es zum Schluss natürlich klar: zwei Tunnel mit überraschender Geräuschkulisse, einer davon beleuchtet, führen uns praktisch direkt bis vor das Viadukt. Dieses ist leider nicht begehbar, der Blick ist trotzdem spektakulär. Von der anderen Seite hätte man mit einem ziemlichen Umweg über viele Serpentinen auch mit dem Auto hinkommen können, aber der Fußweg war insgesamt doch erheblich authentischer und lehrreicher.
Pösslchen wollte im übrigen eigentlich mit, aber der Weg herunter bis zum zweiten Tunnel ist für Fahrzeuge über 5 Meter gesperrt (nicht, dass wir nicht schon spannendere Strecken ohne Warnung gefahren wären, aber wenn schon das Sperrschild da steht, dann halten wir uns lieber dran).
Das blieb nicht der einzige Wanderpfad in diesen Tagen, aber wie gesagt: man weiß hier gar nicht, wo man anfangen und aufhören soll.