Jetzt sind wir praktisch einmal rum um die Küste von Cotentin und die letzte Woche ist auch schon angeknabbert. Von Granville hüpfen wir noch mal ein paar Kilometer weiter und landen in Pontaubault südlich von Avranches. Avranches ist wie das Kamen: kennt man eigentlich nur von der Autobahn, wenn man Richtung Bretagne unterwegs ist (nein, wir fahren nicht über das Kamener Kreuz in die Bretagne, aber wer kennt schon Kamen?)
Also Pontaubault: haben wir ausgesucht, weil es dörflich ist und weit genug weg von den Hotspot-Plätzen am Mont Saint Michel, aber immer noch ganz in der Nähe von Wasser und Avranches. Der freundliche britische Patron lässt uns wieder mal selbst den besten Platz aussuchen, und wieder haben die Katers eine Wiese für sich (und dafür keine Hecke, besser für unsere Nerven).
Pontaubault ist für sich gesehen aber auch sehr schnucklig, es gibt den Fluss Sélune, der hier in den Kanal mündet, darüber drei Brücken, eine davon nur noch zum Anschauen, die zweite angeblich schon unter Anne de Bretagne erbaut und wundersamerweise auch von den Deutschen 1944 nicht kaputtgekriegt – so dass die Alliierten, wie uns eine Gedenktafel mitteilt, über die Sélune bei Pontaubault die ganze Bretagne, Paris und danach Deutschland erreichen konnten. An den Ufern lässt es sich heute friedlich picknicken und Schafen und Kühen beim Weiden zusehen, was auch ausgiebig genutzt wurde.
Abendempfehlung: Am Ufer entlang Richtung Roche torin radeln, einem Aussichtspunkt mit Blick auf den Mont Saint Michel. Wir hatten es etwas diesig, aber die paar Kilometer lohnen sich. Die Flussmündung, die Vögel, jede Menge Schlick bei Ebbe (leichte Wattenmeer-Assoziation), zwischendurch blinkt dich der Mont Saint Michel an, und die Sonne geht unter. Die einzigen Geräusche macht der Brenner des Heißluftballons, der verzweifelt versucht aufzusteigen. Ansonsten eine unglaubliche Stille.
Nach Kamen Avranche wählen wir am nächsten Tag nicht die kürzeste und schnurgrade Strecke über die Voie de la liberté, die uns das Navi vorschlägt, sondern schlängeln uns auf der anderen Seite des Flusses an die hochgelegene Stadt heran. Das letzte Stück ist steil, selbst mit dem E-Bike … aber es lohnt sich. Die Stadt erschließt sich eher so auf den zweiten Blick, erster Anlaufpunkt der überraschend große, neugotische Kirchenbau, der dann doch keine Kathedrale ist. Die „echte“ Kathedrale, also der alte Bischofssitz, überlebte die Revolution und die darauffolgenden statisch-liturgischen Experimente des neu eingesetzten Gemeindepfarrers nicht. Dem um das Jahr 700 tätigen Bischof von Avranches und seinen Visionen vom Erzengel Michael wiederum verdanken wir die Abtei auf dem Mont Saint Michel. Letzteren kann man von Avranches dann auch am Horizont sehen. (Die Story zu Aubert d’Avranches bzw. Aubert von Avranches müsst ihr mal in Wikipedia nachlesen, wilde Geschichte.)
Neben der Kirche ist der Festungshügel mit der historischen Bebauung und einer idyllischen Gartananlage für uns das Highlight der Stadt.
Fazit: wie immer sind die kleinen Orte abseits der Hotspots die mit den besten Geschichten …