Tschüss, Schatzi

Am 13. März ist Jo Auth gestorben. Er war Gründer dieses Blogs, Mitstreiter, Bretagnereisender, Emma-Chauffeur, Schrauberkönig, kreativer Spinner, treue Seele und unser raubeiniger, großzügiger Freund.

Es war Sommer 2001, als wir uns im damaligen „Web-Tower“, einem für den Abbruch vorgesehenen Bürogebäude in Köln-Deutz,  bei einer Umschulung zu Web-Fachkräften über den Weg liefen. Pünktlich nach 9/11 waren wir fertig ausgebildet, die hippen Internetagenturen nicht mehr ganz so scharf auf uns, aber Jo sorgte dafür, dass sich die bunte Truppe nicht aus den Augen verlor – es folgten legendäre Sommerabende im Stadtgarten und Partys in den bald darauf angemieteten Büroräumen am Eifelwall, wo Jo mit Netquartett seine Selbständigkeit im Bereich Webprojekte startete. Hier und da unterstützte ich ihn dabei mit etwas Design oder sonstigem Tech-Gefrickel.

Zwei Männer auf der Wiese grinsen sich an
mit Udo († 2020), Büropartner und Freund

Er wiederum frickelte als alter Maschinenbauer damals am liebsten in seiner Schrauberhalle in Ehrenfeld an allem möglichen herum. Ob er unter der Hebebühne stand und an seinen Bullys „Emma“, „Loretta“ oder meinem alten Astra schraubte, ob er Pappmachémöbel entwickelte, die wie Beton aussahen und wochenlang vor dem Heizlüfter trocknen mussten, Stahlmöbel schweißte, mit flüssigem Teer auf Leinwand großformatige Gemälde schuf: die Halle wurde neben dem Büro am Eifelwall zu einem festen Treffpunkt, bis beide der Kölner Stadtentwicklung weichen mussten.

Einen Wendepunkt stellte unsere zunächst geschäftliche Beziehung mit Reisemobile Berens und Marc Nowak dar, etwa um 2009 – wir durften die neue Website des Unternehmens entwickeln, was uns auch wirklich gut gelang. Ein Herzblut-Projekt, weil wir beide sowieso die Leidenschaft zu mobilem Reisen in uns hatten. Mit dem Projektabschluss wurde dieses Blog geboren, anfangs angefeuert durch Marcs Angebot, uns hier und da mal ein Miet-Womo zur Verfügung zu stellen. Das ganze verselbständigte sich schnell, als Ray und ich uns unser Pösslchen anschafften. Nun wurde der Hinterhof von Jos neuer Schrauberhalle zum gemeinsamen Womo-Bastel-Treffpunkt.

Mann mit Schutzbrille und Blaumann flext gebückt an einer Markise herum
Was machst du mit der Flex an unserem Pösslchen!!!???

2013 verwirklichte Jo mit Marcs Hilfe seinen großen Traum einer Schottlandreise. Die Freundschaft zu Marc Nowak war und blieb speziell, so verschieden die beiden auch waren. Als Marc 2014 auf Elba urplötzlich starb, konnte Jo das nur sehr schwer verarbeiten, noch Jahre darauf hob er an seinem Todestag das Glas auf ihn, Marc war immer präsent.

Mit dem mobilen Reisen wurde es für ihn zunehmend schwieriger, auch weil die gute alte Emma in die Jahre kam. Was natürlich nicht hieß, dass es Jo nicht immer und immer wieder in seine geliebte Bretagne zog, seine größte Liebe, die lange vor unserer Feundschaft ihren Anfang genommen hatte. Legendär die Berichte vom Tresor des Bauern und dem Traum, ein Häuschen in Plovan zu kaufen, vom Ausblick mit Klappspaten oder die Erzählungen „damals konnte man noch bei Ebbe mit dem Bully direkt vor Mont Saint Michel fahren“ – undenkbar für uns „Jung-Reisemobilisten“ des 21. Jahrhunderts. 2022 konnten wir uns sogar einmal vor Ort treffen, als Ray und ich ihm mit Pösslchen die Küste nach Loctudy entgegenkamen und ein paar Tage gemeinsam bei Madame mit Moule frites und Blicken auf die Bucht verbrachten. Einer der seltenen gemeinsamen Reisemomente, zu verschieden waren unsere Lebens- und Arbeitsrhythmen.

Zwei lange Schatten von Personeon auf einer Strandbucht, bewölkter Himmel

Das Treffen in Loctudy war schon zu einer Zeit, nachdem es ihn doppelt und schwer ins Herz getroffen hatte, und die Gesundheit deutlich nachließ. Was hingegen nie nachließ, waren seine Ideen. HiFi-Leidenschaft (mp3 wtf?) – da müssen es schon die Elektrostaten von QUAD sein, die grade so ins kleine Wohnzimmer vor das Plattenregal passen – was wiederum zu einem interessanten und lieben neuen Menschen in der Eifel führte. Kreatives Schweißen ist nicht mehr so recht möglich? Dann richten wir doch im Bürokeller eine Holzwerkstatt ein. Und warum nicht doch noch mal Dinge mit echtem Beton anstellen? Statt digitalknipsen noch mal mit analoger Mittelformat-Fotografie anfangen? Ein hochpräzises Messgerät restaurieren und sich daran einfach nur erfreuen? Elke einfach mal aus einer Laune heraus den guten Festo-Rutscher schenken? Die halbe Welt mit individuellen „CD-Mixtapes“ beglücken? Tass Kaff im Bürro, Schatzi?

Es war längst nicht immer einfach. Wie so viele von uns hatte Jo seine dunklen Zeiten, die ihn in den letzten Jahren wieder und wieder niederdrückten. Die Welt wurde komplizierter, die Kräfte ließen nach. Sie reichten 2024 zum Glück noch einmal für eine Reise in die geliebte Bretagne. Das Herz machte den kurzen Weg vom Chalet der Madame zum Strand in Loctudy so grade noch mit. Als Ende des Jahres das nächste Arschloch um die Ecke kam und er ohne Chance auf OP oder Chemo im Krankenhaus lag, reichte es immer noch zum: einmal noch. Er träumte und kämpfte bis zum Schluss.

Als Marc damals starb, schrieb ich, dass ohne ihn unsere Reisen nicht stattgefunden hätten. In noch größerem Maß gilt das für Jo: unser Leben wäre heute ein ganz anderes, wenn wir ihn nicht zum Freund gehabt hätten. Danke, Schatzi, auch wenn du mir wie immer nicht glauben wirst.

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