Wir hatten mit einer Träne im Knopfloch die wunderbare Côte de Granit Rose hinter uns gelassen und uns dem Festland zugewandt.
Die Bretagne besteht nicht nur aus Küste, auch wenn man das bei unscharfem Hinsehen annehmen könnte. Mitten drin – im Westen des Festlandes, bis auf die Halbinsel Crozon – gibt es den regionalen Naturpark Armorique und darin die Monts d’Arrées, ein kleines Gebirgsmassiv (in der Eifel würde man vielleicht Hügelkette sagen, aber wir kommen ja vom Meer hoch …). Dort ragt mit 385 Metern der Roc’h Ruz, mit 384 Metern der Roc’h Trevezel und mit 383 Metern der Roc’h Trédudon empor. Praktischerweise liegen die drei so eng beieinander, dass man sie in kurzer Zeit über den Circuit des Roc’h, einen markierten Pfad, ablaufen kann. Wir beginnen mit dem spektakulärsten der drei, dem Roc’h Trevezel. Die Vegetation ist fast ein wenig alpin, viel fast schulterhoher Farn, blühende Heidekräuter, und dann die nackt herausragenden Felsen, die man mit festem Schuhwerk gut hochkraxeln kann. Der Rundblick ist grandios!
Nach Norden schaut man noch bis zum Meer, im Süden liegt das Réservoir Saint Michel und das Reaktorgebäude des Kernkraftwerks Brennilis, das sich laut Wikipedia jedoch im Rückbau befindet. Nebenan ragt der Sendeturm des Roc’h Trédudon empor (und dessen Vorgänger 1974 noch durch einen Anschlag der bretonischen Befreiungsfront in die Luft gejagt wurde).
Die Wanderung zum Roc’h Trédudon und dem praktisch auf derselben Hochebene liegenden Roc’h Ruz, der nur noch ein Stück Felsen daneben ist, ist dagegen eher unspannend. Auch hier kann man die beiden Felsen noch hochklettern. Aber immerhin: wir haben die drei höchsten Gipfel der Bretagne an einem Tag bestiegen!
Die Übernachtung war etwas schlecht geplant auf dem kostenlosen Womo-Stellplatz vor dem (geschlossenen) Camping Municipal im 13 km entfernten Huelgoat, was etwas abseits der Route liegt und wo es im Wald noch allerlei geheimnisvolle Steine zu entdecken gäbe. Der Platz ist OK und kostenlos, an einer wenig befahrenen Straße. Für eine Nacht in Ordnung, es hätte in der Region aber noch andere Plätze gegeben, wie wir später sehen.
Den geheimnisvollen Wald um Huelguat knickten wir uns zugunsten einer zu füllenden kulturellen Wissenslücke. Etwas, wovon wir Sakralkunst- und Skulpturen-Groupies noch nie gehört hatten, sind die so genannten enclos paroissial bzw. „umfriedete Pfarrbezirke“ ganz in der Nähe, die wohl echt berühmt für die Bretagne sind – die mussten wir nun wirklich in Augenschein nehmen:
Ein umfriedeter Pfarrbezirk stellt in der sakralen Kunst Europas ein einzigartiges Phänomen dar und kommt in dieser speziellen Form nur in der Bretagne vor. (Wikipedia)
Schaut so aus, als ob die Gegenreformation zum Ende des 16./Anfang des 17. Jahrhunderts neben Inquisition, Vertreibung und Ketzerprozessen in der durchaus wohlhabenden Gegend auch noch ein paar positive Anreize setzen musste, um die hugenottischen Umtriebe zu bekämpfen und die abtrünnigen Bretonen wieder heim in die römische Kirche zu holen. Das Ergebnis sind diese recht dicht beieinanderliegenden Ensembles in (heute) recht kleinen, verschlafenen Nestern, dicht an dicht.
Prunk und Pracht ist bis heute nachvollziehbar – erstaunlicherweise sind die Kirchenensembles überwiegend in einem sehr guten Zustand, trotz Revolution und heutzutage meist fehlenden Mitteln zur Restauration – da haben wir in Frankreich schon ganz andere Kirchen gesehen.
Wir haben also eine Kirche, ein „Triumphtor“, eine monumentale steinerne Skulpturengruppe mit Kreuzigungsszene – den „Kalvarienberg“ (Calvaire), dazu oft ein Beinhaus (nahm früher die Überreste von überfüllten Dorffriedhöfen auf, heute meist Souvernirladen), und dazu in den Kirchen prächtige Rennaissance-Altäre, Taufbecken und etwa Grablegungsgruppen. So etwas haben wir wirklich noch nicht gesehen. Wir fahren fünf davon ab, aber das sind längst nicht alle, wenn man einmal einen Blick dafür entwickelt hat, findet man überall kleinere oder größere Ensembles in den Dörfern. Nur wollen und können wir irgendwann nicht mehr bei jedem Halt machen …
In Saint Thégonnec hätte es den perfekten Stellplatz für die Rundtour über die umfriedeten Pfarrbezirke gegeben, wenn wir mal die Augen aufgemacht hätten – direkt im sympathischen Dorf, fein angelegt, mit VE. Bäckerei usw. alles in Laufweite.
Halt machten wir mittags in Guimiliau, um noch in der örtlichen Crêperie eine Galette oder Crêpe zu uns zu nehmen. Muss wohl so eine Art Kultlokal sein, winzige Wohnzimmeratmosphäre, und als Spezialität Artischocken. Wir wurden von Madame recht bärbeißig begrüßt mit „ihr seid aber jetzt die letzten, die ich noch reinlasse“ (OK … kann in Köln als Köbes anfangen), und sahen uns dann auf der Karte einer riesigen Auswahl von Galettes und Crêpes gegenüber. Nach einer gefühlten Viertelstunde rauschte Madame dann noch mal vorbei „bin alleine hier, komme gleich“, und als wir dann unsere Galette-Auswahl nennen wollten, kamen wir kaum dazu, als es hieß: es gibt keine Galettes, nur Menü, désolée. Na fein, und weg war sie wieder. Und wir dann auch, nous sommes auch désolée, keine Lust auf Dreigänge-Artischockenmenü.
Die weitere Tour war trotz fehlendem Galette sehr entspannt, – dann eben einen schönen Café au lait in einer stinknormalen Sportbar ums Eck – und abends landeten wir auf einem wunderbar ruhigen Platz am östlichen Ende von Crozon, nahe der Abtei Landévennec. Dazu später mehr.
hui, die ecke ist bei uns auch noch ein weißer fleck auf der bretonischen landkarte und kommt auf die liste für nächstes jahr 👍🏼.
(wir waren dieses jahr auf den spuren der könig arthus sage im großraum paimpont).
auch wir haben bei einem hochgepriesenen restaurant -allerdings an der küste- eine ähnliche erfahrung gemacht trotz fließendem französisch. wir fragten uns auch, woher die ihren positiven ruf her haben.
schönen urlaub 🙋🏽♀️