Stürmische Flut im Nordwesten

Gatteville hatte uns verwöhnt: Ruhe, Wasser, Fischerdörfchen, und ein schöner Platz direkt am Meer. Wenn man hier oben an der Küste des Cotentin weiterzieht, könnte man im Prinzip alle paar Kilometer einen oder mehr Tage bleiben … wir entschieden uns zunächst für Cherbourg (klar, wegen der großen Pötte für Ray). Abgesehen davon war die Stadt für uns jedoch enttäuschend: kaum Menschen, bis auf die AIDA-Touristen und uns, eine tote Altstadt … die halbe Stadt ein Militärgelände. Vielleicht haben wir aber einfach den Charme der Stadt verpasst. Das Museum Cité de la Mer mit seinem Atom-U-Boot ist noch sehenswert, aber 19 Euro Eintritt? Sorry, mais non. Die riesige Halle, der ehemalige transatlantischen Hafenbahnhof (wo die Titanic ablegte), hat allerdings schon was. Wir konnten direkt gegenüber frei übernachten, der eigentliche „offizielle“ Stellplatz liegt etwas davor und bietet noch V/E dazu. Aber die Parkplätze rundum sind jetzt im Winter sehr entspannt belegt und die Handvoll Womos verteilte sich frei über das Gelände. Lustig das Morelo-Dickschiff nebenan, dessen Besatzung abends seinen halben Hausstand inkl. Koffer und Bettzeug aus dem Reisemobil in zwei Kleinwagen umräumte und die Nacht offenbar woanders verbrachte (Sicherheitshalber mal die Nummernschilder notiert, man weiß ja nie …).

Ein weiterer Katzensprung ist dann das Cap de la Hague – rauhe Küste und Wiederaufbereitungsanlage für nukleare Abfälle mitten drin (irgendwas ist immer …). Man hat auch hier die Wahl des schönsten Winkels, der schönsten „Nez“ oder des schönsten Phare – wir landeten am Cap de Goury und staunten nicht schlecht: der hochgelegene – obligatoire – Womostellplatz bietet schon den spektaktulären Blick auf den Leuchtturm:

Blick von weitem auf den Leuchtturm, viel Gischt und Wellen

Gegen den Platz wäre normalerweise nichts einzuwenden gewesen, deshalb blieben wir erst mal fürs Mittagspäuschen und den Spaziergang an den „Strand“. Ich noch so: lass uns die 3 km bis zu dem Semaphore laufen, das sieht doch nett aus. Also erst mal Sack, Pack und Wanderschuhe geschnürt und runter zu Wind und Wellen. Erwähnte ich übrigens die Sturmwarnung seitens Méteo France? Ich mach’s kurz: so einen Wind erlebte ich hautnah bisher erst einmal, das war damals im Mittsommer auf dem Mont Ventoux. Rund 70 km/h Windgeschwindigkeit, dazu aber dieses Meer … Zwischendurch lässt sich die Sonne blicken, dann regnet es wieder ein paar Tropfen. Oder war es die Gischt, die dir ins Gesicht weht? Egal. Hier unten hüpfen ein paar Boote in einem kleinen Hafenbecken, einige wenige Häuser direkt davor, eine Seenot-Rettungsstation, die nordwestlichste der Normandie. Für die Jahreszeit erstaunlich viele Menschen hier. Wir kämpfen uns ein Stück die Küste entlang und können uns nicht satt sehen. Anstrengung wechselt sich mit Begeisterungsschreien gegen den seitlichen Wind ab, die Kieselsteine des hochgelegenen Strands (weiter runter kommt die Flut …) werden mit jedem Schritt größer, der Sempaphore kommt kein Stück näher. Nach ein paar hundert Metern geben wir auf – windzerzaust, müde, aber mit einem dicken Grinsen im Gesicht erreichen wir unser Pösslchen.

Das wackelt inzwischen jedoch auch ganz schön hier oben am ungeschützten Hang. Die Nachbarwomos und eine Hardcore-Vanliferfamilie mit Kind, großem Hund und Trockentoilette im T5 verziehen sich im Laufe des Nachmittags dezent, und ich quengele so lange an Ray rum, bis wir auch noch mal den Platz wechseln. Drei Kilometer ums Eck, so dass uns der Wind nicht ganz so scharf ins Gesicht bläst, dafür die Füße fast im Wasser und, nachdem sich die letzten Wandernden mit dem Sonnenuntergang verziehen, völlig allein mit der Welt. So soll das.

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