Von St.-Leon-sur-Vézère trennen wir uns nach einigen Tagen nur ungern, weil der schattige Platz am Fluss einfach nur traumhaft ist. Weiter ging es ins nahegelegene Sarlat-la-Canéda, dessen historische Innenstadt ein einziges Baudenkmal ist, konserviert wie vor Hunderten von Jahren. Ein bissl wie Brügge – eine ehemals bedeutsame, aber im 17. Jahrhundert „vergessene“ mittelalterliche Stadt, erst im letzten Jahrhundert für den Denkmalschutz und den Tourismus wiederentdeckt. Trotz des – natürlich – touristischen Ansturms, der sich unter der Woche und außerhalb der Markttage jedoch im Rahmen hält, ein fantastischer Ort, wo man einfach sitzen und schauen kann. Auch könnte man an fast jedem Gebäude die Geschichte und Kultur Frankreichs nachvollziehen. Die meisten genießen jedoch einfach die Atmosphäre, lassen sich doch hier und da von den leckeren Spezialitätengeschäften verführen oder schlendern über den Markt und probieren alles von Trüffeln über Nüsse und Käse und natürlich die allgegenwärtige Gänseleberpastete, die Spezialität der Region.
Was uns ziemlich vom Hocker gehauen hat, war die zur Markthalle umgenutzte alte Marienkirche, die schon 2001 von Pritzker-Preisträger Jean Nouvel unter andere mit einem riesigen Metalltor anstelle des alten Glasfensters ausgestattet wurde. An Markttagen ist das Tor halb geöffnet. Der Bau selbst wurde schon nach der Revolution säkularisiert, in Einzelparzellen verkauft und in der Folgezeit als Bäckerei, Holzhandlung und zum Schluss als Postamt genutzt. Ein gelungenes architektonisches Highlight – und das wo ansonsten in der ganzen Innenstadt fast keine modernen Anbauten etc. ins Auge fallen.
Was noch? Gastronomische Angebote, in denen man sich ein halbes Jahr ohne Wiederholung verköstigen könnte, und – unerwartet – sogar mit vegetarischem Angebot. Auf die vegane Gänseleberpastete warte ich aber noch ;-)
Auch im zauberhaften historischen Sarlat ist die Gegenwart nicht ganz weggezaubert – Plakate und Aufkleber mit den Protesten gegen die Rentenreform, hohe Preise und niedrige Löhne sind allgegenwärtig.
Ein besonderes Erlebnis war der 18. Juni, was, wie wir kürzlich lernen durften, der Tag der Résistance ist, genauer gesagt der Jahrestag, an dem De Gaulle nach der deutschen Besetzung Frankreichs von London aus seinen Appell an das französische Volk richtete und es zum Widerstand aufrief. Ich hatte gedacht, dass das ein Riesending hier ist, und war doch etwas erstaunt, als Sonntagmorgen dann nur rund 20 Personen an der Gedenkstätte in Sarlat auftauchten, die Hälfte etwa in Uniform und mit Fahnen verschiedener Einheiten. Ergreifend war es aber allemal, und als dann der Chant des Partisans erklang und zum Schluss die Marsellaise, mussten wir doch ein kleines Tränchen wegdrücken. In diesen dunklen Zeiten von Krieg und Widerstand werden die Opfer, die hier gebracht wurden, damit Generationen danach in Frieden miteinander leben können, eine Winzigkeit fassbarer.
Tja, und nach dem Wochenende konnte ich die hohe Kunst der Verdrängung nicht mehr aufrechterhalten und wir mussten doch mal schauen, warum Pösslchen seit ein paar Tagen so viel Kühlwasser verlor … der Aufenthalt in Sarlat verlängerte sich ein paar Tage, weil die erst drei Jahre alte Wasserpumpe aus Clermont-Ferrand leider schon wieder aufgegeben hatte („vielleicht nur ein poröser Schlauch/ein kaputtes Kabel“ – never ever). Ein echter Glücksfall eigentlich: Wir waren stadtnah auf einem Huttopia-Campingplatz mit allen Annehmlichkeiten, mit den E-Bikes supermobil, und weil Stadt, gibt’s auch eine Citroën-Werkstatt in der Nähe, die uns kurzfristig helfen konnte. Für zwei Nächte (Mindest-Buchungszeit) nahmen wir uns ein Chalet auf dem Campinplatz, weil Pösslchen eine Nacht in der Werkstatt bleiben sollte. Im Nachhinein wäre es nicht nötig gewesen, weil sie schneller fertig waren als gedacht, aber naja, besser so als andersherum.
Allerdings hatten wir die Rechnung ohne die Katers gemacht. Der Abenteuerkater, der jeden Stellplatz sofort mit Beschlag belegte und die Nachbarschaft durch seine Schmetterlingsjagden regelmäßig amüsierte, bekam in der Nacht im Chalet die Vollkrise und verkroch sich nach kurzem Blick aus dem Fenster 24 Stunden unter dem Bett, ohne einen Pieps zu sagen. Vor lauter Verkrampfung müsste er eigentlich Muskelkater gehabt haben. Der Womokater dagegen, sonst eher schüchtern, lief schimpfend rum und beschwerte sich. Oje … eine unruhige Nacht für alle. So sehr die beiden das Pösslchen als Erweiterung des Zuhauses angenommen haben, so deutlich wurde hier, was wir für ein Glück damit haben, denn jeder andere Ort ist offenbar wirklich nicht akzeptabel für die Herren. Nicht das eigene Bettzeug, der gewohnte Geruch, die Kiste, nein, es ist der Ort, das Zuhause, das ihnen Sicherheit gibt. Das Ende vom Lied: als Pösslchen früher als geplant aus der Werkstatt kommt, ziehen wir wieder aus dem Chalet zurück ins Womo und alle sind – wie wenn ein Schalter umgelegt worden wäre – wieder glücklich.
So verlassen wir Sarlat frohen Herzens und begeben uns ins Herzland der Périgord-Krimis, auf einen idyllischen Bauernhof-Campingplatz zwischen Liemeul und Le Bugue – hierzu später mehr!
Hallo,
das sieht ja wirklich nach einem tollen Stück Erde aus, ich liebe mittelalterliche Städchen :-) Lieben Dank für den schönen Bericht.
LG
Chris von Camping mit Herz