Morbihan – ein Traum von Spätsommer

Zugegeben, wir waren skeptisch, ob die weitere Reise nach Belz/St. Cado sich noch als Sommerurlaub anfühlen würde, erst recht, nachdem wir einen Blick auf die Wetter-App für die Bretagne geworfen hatten und die ersten halben Regentage und -wolken uns begleiteten. Allerdings hatten wir nicht umsonst die Route so gelegt, dass wir mehr oder weniger nach Westen durchfahren und uns die Südküste – insbesondere den Golf von Morbihan – an den Schluss legen. Auch wenn mein Wissen um diese Gegend zugegebenermaßen bislang nur aus „Bretonisches Gold“ von Jean-Luc Bannalec gespeist wurde, so hatte sich mir doch das milde Klima eingeprägt. Und wir wurden nicht enttäuscht – der Badeanzug war ständig in Benutzung, lange Hosen blieben im Schrank und der Hoodie kam nur abends mal ausnahmsweise raus.

Blick auf Bootshafen, im Hintergrund Leuchtturm und diverse Gebäude sowie Anleger

Der Golf du Morbihan ist strenggenommen ein Binnenmeer, das sich nur mit einer ganz schmalen Durchfahrt zum Atlantik hin öffnet. Darin dann zahlreiche Inseln aller Größen, so dass man nie weiß, auf welches Stück Land man eigentlich gerade schaut. Zudem gibt’s auch beim Blick auf den Atlantik noch mehrere vorgelagerte Inseln, weiter draußen dann die Belle Île, und natürlich ist auch Quiberon in Blickweite, das wir dieses Mal rechts liegengelassen hatten.

Blick auf Meer, Insel, Segelboot

Mit den E-Bikes (sorry für das Generve, das wird sich sicher bald auch legen) ergab sich ein neuer Reiserhythmus: wir bleiben entspannter und länger mit Pösslchen an einem Ort, weil sich der Ausflugsradius dramatisch erhöht hat. So konzentrieren wir uns am Golf du Morbihan auf zwei Standorte: einmal unten im Süden auf der Halbinsel Rhuys, auf einem aus gutem Grund noch sehr vollen Camping Municipal, der direkt am Strand und am Sentier Côtier liegt und in den sich der Abenteuerkater und auch wir Hals über Kopf verliebten. Unter hohen Pinien im Halbschatten ließ es sich gut aushalten, und der Kater kam nicht aus dem weichen Piniennadelbett am Boden raus, schnoberte sich die Bäume entlang und hatte bald auch fast keine Scheu mehr vor den vorbeilaufenden Menschen. In wenigen Minuten ist man von hier aus in Port Navalo, einem kleinen Hafen, oder am Jachthafen, oder über den Küstenweg an der felsigen Küste oder allerlei Dolmen und Megalithgedöns. Oder liegt einfach faul am Strand herum. Kein Wunder, dass es hier auch fast Mitte September noch sehr gut gefüllt ist – viele Deutsche, aber auch zahlreiche Womos aus Frankreich. Dennoch herrscht eine ruhige Atmosphäre (stellt euch hier ein flammendes Plädoyer für charmante, gutgelegene und extrem günstige Camping Municipals in Frankreich vor …)

Eine Radtour führte uns sämtliche „Points“ an der nördlichen Küste (also zum Golf hin) entlang, einer dann im Süden bis St. Gildas, wo es eine alte Abteikirche gibt und wir uns direkt davor ein köstliches Mittagessen gönnten. Die Radwege – auch hier leider nicht die Küstenstrecke – sind gut markiert und angenehm fahrbar; ich kann nur empfehlen, nicht der eigenen Navi, sondern den grünen Schildern (45) zu folgen und sich nur ein grobes Ziel zu setzen, dann einfach rollen lassen.

Letzter Standort in der Bretagne war schließlich der Campingplatz L’Allée in Arradon (ja, hier hört sich alles an wie in Mittelerde), den wir im Zweiradweite zur Department-Hauptstadt Vannes ausgewählt hatten. Der nahegelegene Camping Municipal (Priol) hatte uns nicht so zugesagt, direkt an der Straße usw. L’Allée hat auch nur 3 Sterne und einen netten Pool, liegt nicht ganz so nah am Wasser und ist auch sonst eher „Standard“, aber hervorragend geeignet für eine Tour auf die größte Insel im Golf, die Île aux Moines, wohin uns in fünf Minuten ein kleines Fährboot brachte. Der Tag war bedeckt, die Insel jedoch unglaublich schnuckelig. Es gibt nur wenige Autos, dafür einiges an Elektromobilität und ziemlich viele Handkarren. Die Dorfjugend fährt allerdings via Boot mit Kanistern aufs Festland zum Tanken ;-) Die Insel ist zwar die größte des Golfs, aber immer noch eigentlich winzig, so dass wir sie von Nord nach Süd befahren und noch eine kleine Küstenwanderung (und ein paar Crêpes) zwischenschieben konnten. Im Süden konnten wir fast auf die Halbinsel Rhuys, unseren ersten Standort, rüberspucken. Faszinierende Topologie. Bewölkter Tag = wenig gute Fotos, aber dafür angenehmes Radelwetter ;-)

Und schließlich nach der ganzen Natur und Küstenlandschaft doch noch mal in die Stadt: Vannes liegt etwa acht hügelige Kilometer entfernt, der größte Teil der Strecke geht wieder über die Fahrradroute 45, man landet dann direkt am Jachthafen, wo es ausreichend Fahrradabstellplätze gibt. Und ich sag euch: wir haben uns spontan verliebt. So eine Mischung aus historischer Altstadt mit Prachtgebäuden und bunten Fachwerkhäusern, Wasserlage, kleine – wirklich origineller – Ladenlokale und Bistros, eine Kathedrale mittendrin, ein perfekt gepflegter Park im Graben vor dem Festungsring … ein Kunstmuseum in altem Gemäuer, das wir uns fürs nächste Mal aufgehoben haben, denn ganz bestimmt hat uns diese Stadt nicht zum letzten Mal gesehen. Klar, touristisch, die Bimmelbahn, aber die Menschen verlaufen sich in der Nachsaison ein wenig und man geht sich nicht auf die Nerven. Und in der Altstadt speisten mittags bei weitem nicht nur die Touris in den kleinen Straßenlokalen.

Alles in allem eine Abschlusswoche in der Bretagne wie aus dem Bilderbuch, und wir haben eine neue Lieblingsdestination gefunden. Wie war das doch gleich mit dem Winterurlaub? Leider geht es nämlich morgen früh ganz gemütlich wieder zurück Richtung Köln; mal sehen, wo wir landen, Honfleur muss es wirklich nicht mehr sein …

Katze läuft über Wiese
So langsam traut sich auch der Womokater regelmäßig raus, insbesondere, wenn es reichlich Gras zum Degustieren gibt

 

 

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